Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
sich ihres Schutzes zu versichern.«
Da es mir unmöglich war, in diesem Augenblick etwas Passendes zu entgegnen, stellte ich mich, als ob ich kein Wort von dem, was er gesagt, verstände, und beeilte mich, am Campisspiel teilzunehmen.
Bei diesem Kartenspiel hat jede Person eine gewisse AnzahlLeben, und der Ueberlebende gewinnt. Der Einsatz, den jeder Spielende in den Pot zu setzen hatte, betrug zehn Imperialen (100 Rubel). Diese Summe war schon an und für sich viel zu extravagant für meinen Beutel, besonders aber, weil Seine Majestät, wenn er verlor, anstatt eines seiner Leben nach den Spielregeln aufzugeben, jedesmal einen Imperial aus seiner Tasche nahm und in den Pot legte, wodurch er natürlich stets Gewinner blieb. Sobald das Spiel zu Ende war, schlug er ein zweites vor, das ich mir indes erlaubte, abzulehnen. Aber der Kaiser bestand darauf, noch einmal zu spielen, was ich jedoch ebenso hartnäckig abschlug. Darauf machte er mir den Vorschlag, halb Part mit ihm zu spielen. Auch dies verweigerte ich, und sah mich schließlich gezwungen, ihm zu erklären, ich sei nicht reich genug, um mich betrügen zu lassen; wollte aber Seine Majestät spielen wie andere Leute, so hätte man wenigstens Hoffnung auf einen Gewinn. Der Kaiser, gutmütig wie er war, ließ die Unart passieren, ohne eine andere Antwort als eine seiner gewöhnlichen närrischen Entgegnungen. Dann ward mir erlaubt, mich zurückzuziehen. Seiner Majestät Spielgesellschaft bestand an diesem, wie an den meisten Abenden, aus den beiden Narischkins und ihren Frauen, Ismailoff und seiner Frau, der Gräfin Elisabeth, meiner Schwester, den Herren Milgunoff, Gudowitsch und Angern, dem ersten Generaladjutanten des Kaisers, der Gräfin Bruce ec. Sie alle starrten mich vor Erstaunen entsetzt an, und als ich mich zurückzog, hörte ich sie miteinander flüstern: »Was die Frau für Geist hat!«
Als ich später durch die Reihe der Gemächer eilte, wo die übrigen Hofleute versammelt waren, bemerkte ich eine solche Veränderung in der Kleidung, daß es mir schien, als wäre alle Welt in Maskenanzügen. Ich mußte unwillkürlich lächeln, als ich den alten Fürsten Trubetzkoi, der wenigstens siebzig Jahrealt war, plötzlich in einen Militär verwandelt und jetzt zum erstenmal in seinem Leben in voller Uniform sah, straff gespannt wie eine Trommel, gestiefelt und gespornt und zum verzweifelten Kampfe gerüstet. Diese schreckliche Erscheinung war einer jener furchtbaren Krieger Peters III.
Während Maskeraden am Hofe des neuen Kaisers vor sich gingen, wurden die üblichen Ehrenbezeigungen für die verstorbene Herrscherin nicht vergessen. Sechs Wochen lang lag der Leichnam auf dem Paradebett, abwechselnd von allen Damen von Rang bewacht und beinahe täglich von der Kaiserin besucht, die durch solche Beweise ungeheuchelter Ehrerbietung und Zuneigung gegen ihre verstorbene Tante sich alle Herzen eroberte. Peter III. hingegen kam selten in das Sterbezimmer seiner Vorgängerin, und zeigte damit um so mehr die Hohlheit und den Mangel an Ehrfurcht in seinem Charakter. Wenn er aber einmal kam, so sah man ihn mit den diensttuenden Hofdamen flüstern und kichern, die Priester verspotten und die Offiziere und Soldaten, welche die Wache hatten, über wichtige Gegenstände ihres Anzugs, wie die Krawatte, die Schnallen, den Schnitt der Uniform u.s.w. tadeln.
Unter den Neuerungen, welche bei Hof eingeführt wurden, war auch die, daß die französische Art, sich zu begrüßen, an die Stelle der alten russischen treten sollte. Die Versuche der alten Damen, ihre Knie zu dieser tiefen Verbeugung des ganzen Körpers gelenkig zu machen, waren im allgemeinen sehr unglücklich und lächerlich, und es gereichte dem Kaiser zum besonderen Vergnügen, ihr Mißlingen zu beobachten. Dies war einer der Hauptgründe, weshalb er regelmäßig dem Gottesdienst in der Hofkapelle beiwohnte, zum mindesten dem Schluß desselben, wo er sicher war, seinen Uebermut zu befriedigen.
Nach dem eben Angeführten kann man sich leicht denken, daß des Kaisers Gedanken nicht viel auf seinen Sohn und dessenErziehung gerichtet waren. Der ältere Panin, welcher der Erzieher des jungen Prinzen war, drückte oft den Wunsch aus, Seine Majestät möchte sich durch seine Anwesenheit bei den Prüfungen von den Fortschritten der Studien seines Sohnes überzeugen, aber der Kaiser entschuldigte sich gewöhnlich mit einem Vorwande, auf den sich freilich nichts erwidern ließ, nämlich, daß er ganz und gar nichts von
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