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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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Außenseite des Hauses, wo er bemerkte, daß sich an der Basis des Hauses große Quadersteine loslösten. Schnell weckte er Tschoglokoff und meldete ihm, daß das Fundament des Hauses einzustürzen drohe und man versuchen müsse, die Bewohner herauszubringen. Tschoglokoff warf eilig seinen Schlafrock über und eilte hinauf, wo er, da er die Glastüren verschlossen fand, die Riegel erbrechen ließ. So gelangte er in das Kabinett, wo wir schliefen, weckte uns, indem er den Vorhang aufzog und forderte uns auf, uns so schnell als möglich anzukleiden und zu fliehen, weil die Grundmauern des Hauses einzubrechen drohten. Der Großfürst sprang aus dem Bett, ergriff seinen Schlafrock und eilte davon. Ich sagte Tschoglokoff, ich würde ihm sogleich folgen, und er ging. Schnell kleidete ich mich an, wobei ich mich erinnerte, daß ja Madame Kruse im andern Kabinett sorglos schlafe. Ich ging hinein, um sie zu wecken. Da sie aber in tiefem Schlummer lag, gelang mir es nur mit großer Mühe, und ebenso schwierig war es, ihr begreiflich zu machen, daß sie das Haus verlassenmüsse. Ich half ihr noch beim Anziehen, und als sie fertig war, überschritten wir die Schwelle der Tür und traten in den Saal. Aber im selben Augenblick erfolgte der allgemeine Einsturz, begleitet von einem entsetzlichen Getöse, als wenn man ein Schiff vom Stapel ließe. Madame Kruse und ich fielen zu Boden. In diesem Moment kam Levascheff durch die Treppentür, die uns gegenüberlag; er hob mich auf und trug mich aus dem Zimmer. Zufällig fiel mein Blick auf die Rutschbahn, die sich ungefähr in der Höhe der zweiten Etage befunden hatte; sie war nicht mehr da, sondern wenigstens fünfzehn Fuß weiter unten. Als Levascheff mit mir bei der Treppe anlangte, auf der er hinauf gekommen, war auch diese eingestürzt. Inzwischen aber waren mehrere Personen auf die Trümmer gestiegen, und Levascheff überlieferte mich nun dem nächsten, dieser wieder einem andern, so daß ich von Hand zu Hand endlich bis zum Fuße der Treppe in die Vorhalle kam. Von dort trug man mich auf eine Wiese, wo ich den Großfürsten im Schlafrocke fand. Sobald ich das Haus verlassen, begann ich mein Augenmerk auf das zu richten, was dort vorging. Mehrere Personen sah ich, über und über mit Blut bedeckt, herauskommen, andere wieder mußten hinausgetragen werden. Unter den am schwersten Verwundeten befand sich auch die Fürstin Gagarin, meine Ehrendame. Sie hatte sich wie die andern retten wollen, aber als sie durch ein Zimmer kam, das an das ihrige stieß, stürzte der Ofen ein und schleuderte sie auf ein Bett; mehrere Ziegelsteine fielen ihr auf den Kopf und brachten ihr sowie einem Mädchen, das sich ebenfalls retten wollte, schwere Verletzungen bei. In derselben Etage befand sich eine kleine Küche, in der mehrere Domestiken schliefen, wovon drei durch das Zusammenstürzen eines Herdes getötet wurden. Doch dies war nichts im Vergleich mit dem, was sich zwischen der Grundmauer und dem ersten Stock ereignete. Sechzehn bei der Rutschbahn angestellte Arbeiter, welche dort schliefen, wurden durch den Einsturz zerschmettert. Die Ursache des ganzen Unglücks war, daß man das Haus im Herbste in Eile gebaut und ihm als Grundmauern nur vier Reihen Kalksteine gegeben hatte. In der ersten Etage ließ der Architekt zwölf Balken in Pfeilerform in der Vorhalle aufstellen und sagte, da er in die Ukraine verreisen mußte, dem Verwalter des Gutes Gostilitza, er solle auf keinen Fall erlauben, daß man bis zu seiner Rückkehr die zwölf Balken anrühre. Als indes der Verwalter von unserm beabsichtigten Aufenthalt in dem Hause hörte, hatte er, da die Balken die Vorhalle entstellten, nichts eiligeres zu tun, als sie herausnehmen zu lassen. Beim Eintreten des Tauwetters senkte sich dann das Ganze auf die vier Reihen Kalksteine, die an den Seiten heraustraten, während das Haus selbst einer Anhöhe zuglitt, die es aufhielt. Ich kam glücklicherweise mit einigen blauen Flecken und einem großen Schrecken davon. Alle aber hatten von diesem Ereignis eine so schreckliche Angst bewahrt, daß uns noch vier Monate lang jede etwas laut schließende Tür erzittern ließ. Als an jenem Tage der erste Schreck vorüber war, ließ uns die Kaiserin, die ein anderes Haus bewohnte, zu sich kommen, und da sie wünschte, die Gefahr geringer erscheinen zu lassen als sie in Wirklichkeit war, suchten sie alle als unbedeutend, einige sogar als nicht vorhanden hinzustellen. Mein Schreck mißfiel ihr besonders, und sie schalt

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