Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
mich deshalb. Der Oberjägermeister weinte aus lauter Verzweiflung und sprach davon, sich erschießen zu wollen. Man verhinderte ihn dann zum Scheine daran, denn in Wahrheit beabsichtigte er nichts dergleichen. Am nächsten Tag kehrten wir nach Petersburg, und einige Wochen später in den Sommerpalast zurück.
Ich erinnere mich nicht genau, aber ich glaube um diese Zeit war es, daß der Chevalier Sakromoso in Rußland eintraf.Es war lange her, seit ein Malteser Ritter Rußland besucht hatte, überhaupt sah man damals sehr wenig Fremde in Petersburg. Seine Ankunft war daher eine Art Ereignis. Man empfing ihn aufs beste und zeigte ihm alle Sehenswürdigkeiten von Petersburg und Kronstadt. Ein berühmter Marineoffizier wurde ihm als Begleiter gegeben; es war der damalige Kapitän und spätere Admiral Polianski. Sakromoso wurde auch uns vorgestellt, und als er mir die Hand küßte, ließ er ein kleines Billett in meine Hand gleiten und flüsterte: »Von Ihrer Frau Mutter.« Ich war zu Tode erschrocken über seine Verwegenheit und starb fast vor Angst, jemand könnte es bemerkt haben, besonders die Tschoglokoffs, die ganz in meiner Nähe standen. Ich nahm indes den Zettel und schob ihn in meinen rechten Handschuh, ohne daß es jemand bemerkte. In meinem Zimmer angelangt, fand ich in einem zusammengerollten Papier, auf dem mir Sakromoso mitteilte, daß er die Antwort durch einen italienischen Musiker erwarte, der beim Konzert des Großfürsten mitwirkte, wirklich einen Brief meiner Mutter. Sie war über mein unfreiwilliges Schweigen sehr beunruhigt, fragte mich nach der Ursache desselben und wollte wissen, in welcher Lage ich mich befinde. Ich antwortete ihr sofort und benachrichtigte sie, daß man mir verboten habe, an sie oder irgend jemand zu schreiben, unter dem Vorwande, daß es für eine russische Großfürstin nicht passend sei, andere Briefe zu schreiben, als die im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten abgefaßten, denen ich nur meine Unterschrift beifügen dürfte, ohne jemals vorher zu befehlen, was man schreiben sollte, weil das Ministerium besser als ich wisse, was passend sei. Ferner teilte ich ihr mit, daß man Herrn Olsufieff fast ein Verbrechen daraus gemacht habe, daß ich ihm einige Zeilen zugehen ließ, mit der Bitte, sie in einen Brief an meine Mutter einzulegen. Dann unterrichteteich sie noch von mehreren andern Dingen, nach denen sie fragte, rollte mein Billett genau so zusammen wie das, welches ich erhalten, und erwartete unruhig und ungeduldig den Augenblick, mich seiner entledigen zu können. Während des ersten Konzerts, das beim Großfürsten stattfand, ging ich einmal ganz unauffällig durchs Orchester und blieb hinter dem Stuhle des Violinsolisten stehen, den man mir bezeichnet hatte. Als er mich gewahr wurde, tat er, als wolle er sein Taschentuch aus seiner Rocktasche nehmen und öffnete so dieselbe weit genug, daß ich ohne Aufsehen meinen Zettel hineingleiten lassen konnte. Darauf entfernte ich mich nach einer andern Seite, und niemand faßte den geringsten Verdacht. Sakromoso steckte mir während seines Aufenthaltes noch zwei bis drei solcher zusammengerollter Papierchen zu, die denselben Gegenstand betrafen, und meine Antworten gelangten auf die gleiche Weise an ihn. Niemals hat jemand etwas davon erfahren.
Aus dem Sommerpalast zogen wir nach Peterhof, welcher damals umgebaut wurde. Man quartierte uns daher in den alten Bau Peters I. ein, der zu jener Zeit noch existierte. Aus Langeweile spielte hier der Großfürst jeden Nachmittag mit mir l'Hombre. Wenn ich gewann, wurde er ärgerlich, und verlor ich, so wollte er sofort bezahlt sein. Obgleich ich keinen Pfennig hatte, fing er an, mit mir Hazard zu spielen, und ich erinnere mich, daß uns eines Tages seine Nachtmütze als Marke für 10000 Rubel diente. Wenn er indes verlor, wurde er am Ende des Spieles wütend und konnte mehrere Tage hindurch schmollen. Solches Spiel sagte mir natürlich in keiner Weise zu.
Während des Aufenthaltes in Peterhof sahen wir von unsern Fenstern aus, welche nach dem Garten aufs Meer hinauslagen, daß die beiden Tschoglokoffs fortwährend zwischen dem höhergelegenen Schloß und dem von der Kaiserinbewohnten, am Ufer des Meeres gelegenen Monplaisir, unterwegs waren. Uns sowie Madame Kruse verlangte es sehr, die Ursache dieses häufigen Gehens und Kommens zu erfahren. Madame Kruse begab sich daher zu ihrer Schwester, die erste Kammerfrau bei der Kaiserin war. Ganz strahlend kam sie zurück, denn sie
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