Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
beigegeben wurde, und er bestätigte es. Er meinte, Graf Bernis, den er leider nicht gekannt, habe den Ruf hinterlassen, daß er zu jenem Amte geeigneter gewesen sei, als sein ehemaliger Erzieher.
Graf Lynar, der Gesandte des Königs von Dänemark, war nach Rußland gekommen, um wegen des Austausches von Holstein, welches dem Großfürsten gehörte, gegen die Grafschaft Oldenburg zu unterhandeln. Er war ein Mann, der, wie man sagte, mit großen Kenntnissen große Geschicklichkeit verband. Sein Aeußeres war das eines vollkommenen Gecken. Er war groß und wohlgebaut, rötlich blond, mit einem frauenhaft weißen Teint. Man sagte, er sei so sehr um seine Schönheit besorgt, daß er nie anders schlafe, als nachdem er sich Gesicht und Hände mit einer Salbe eingerieben, Handschuhe angezogen und eine Nachtmaske aufgesetzt habe. Er rühmte sich, achtzehn Kinder zu haben, und behauptete, die Ammen derselben immer in den Stand gesetzt zu haben, es zu werden. Graf Lynar, weiß wie er war, trug noch obendrein den weißen Orden von Dänemark und kleidete sich nur in äußerst helle Farben, wie z.B. himmelblau, gelb, lila, laxfarben u.s.w., obwohl man damals nur sehr selten so grelle Farben bei Männern sah. Der Großkanzler Graf Bestuscheff und seine Frau behandelten Graf Lynar wie ein Kind des Hauses und er wurde dort sehr gefeiert; doch auch dies rettete sein Ansehen nicht vor der Lächerlichkeit. Auch der Umstand, daß man sich erinnerte, wie sein Bruder mehr als freundlich von derPrinzessin Anna empfangen worden war, deren Regentschaft nur Mißbilligung gefunden hatte, sprach gegen ihn. Gleich nach seiner Ankunft hatte er also nichts Eiligeres zu tun, als seine Unterhandlungen hinsichtlich des Austausches von Holstein gegen die Grafschaft Oldenburg anzuknüpfen. Bestuscheff ließ sogleich Pechlin, den Minister des Großfürsten für Holstein zu sich rufen und teilte ihm mit, weshalb Graf Lynar gekommen sei. Pechlin berichtete darüber an den Großfürsten, der sein holsteinsches Land leidenschaftlich liebte, das man aber seit unserm Aufenthalt in Moskau der Kaiserin als zahlungsunfähig geschildert hatte. Er hatte die Kaiserin mehrmals um Geld gebeten, und sie hatte ihm auch etwas zugehen lassen, doch nie war dies Geld nach Holstein gelangt, sondern die schlimmsten Schulden Seiner kaiserlichen Hoheit in Rußland waren davon bezahlt worden. Pechlin schilderte nun die pekuniäre Lage Holsteins als verzweifelt, was ihm umso leichter wurde, als ihm der Großfürst die Verwaltung ganz und gar überließ und sich selbst wenig oder gar nicht darum kümmerte, so daß Pechlin ihm einmal, die Geduld verlierend, mit bedeutungsvollem Tone sagte: »Monseigneur, es hängt von dem Herrscher ab, ob er sich mit den Angelegenheiten seines Landes abgeben will oder nicht; wenn er sich nicht damit abgibt, dann regiert das Land sich selbst, aber es regiert sich schlecht.« Pechlin war ein kleiner, sehr dicker Mensch, der eine ungeheure Perücke trug, dem es aber weder an Kenntnissen, noch an Geschicklichkeit fehlte. Sein breiter, untersetzter Körper wurde von einem gebildeten, freidenkenden Geiste bewohnt, doch warf man ihm vor, daß er zu rücksichtslos in der Wahl seiner Mittel sei. Er war einer der intimsten Vertrauten des Großkanzlers Grafen Bestuschoff, der ihn sehr hoch schätzte. Pechlin stellte nun dem Großfürsten vor, daß hören allein noch lange nicht unterhandeln sei, unterhandeln aber wäre weitentfernt von annehmen, und es stehe bei ihm, die Unterhandlungen abzubrechen, wenn er es für passend halte. Schließlich brachte man ihn doch so weit, daß er Pechlin autorisierte, die Vorschläge des dänischen Ministers anzuhören, womit die Unterhandlung eröffnet war. Im Grunde aber war sie dem Großfürsten peinlich, denn er sprach sich gegen mich darüber aus. Ich, die ich in der alten Bitterkeit des Hauses Holstein gegen Dänemark groß geworden war, der man gepredigt hatte, Graf Bestuscheff hege nur Pläne, die dem Großfürsten und mir schädlich seien, hörte von dieser Unterhandlung natürlich nur mit großer Ungeduld und Unruhe reden und suchte, so viel ich imstande war, den Großfürsten davon abzubringen. Uebrigens erwähnte niemand außer ihm die Sache gegen mich, und ihm selbst empfahl man die größte Verschwiegenheit, besonders den Damen gegenüber. Diese Bemerkung bezog sich, glaube ich, auf niemand anders als auf mich. Indes man täuschte sich, denn Seine kaiserliche Hoheit hatte nichts Eiligeres zu tun, als mich
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