Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Nikolaus Leontieff sich im Hause Roman Woronzows beim Spiel erzürnt, mit dem Degen in der Hand gefochten hätten und daß Graf Czernitscheff eine gefährliche Verwundung am Kopfe erhalten habe. Sein Zustand war so bedenklich, daß man ihn nicht aus dem Hause Roman Woronzows hatte fortschaffen können. Er blieb also dort, befand sich sehr schlecht und es war die Rede davon, ihn zu trepanieren. Mich persönlich betrübte dies sehr, denn ich besaß eine große Zuneigung zu ihm. Leontieff wurde auf Befehl der Kaiserin verhaftet. Durch dieses Duell wurde die ganze Stadt in Intrigen verwickelt, wegen der außerordentlich zahlreichen Verwandtschaft der beiden Gegner. Leontieff war der Schwiegersohn der Gräfin Rumianzoff und ein sehr naher Verwandter der Panins und Kurakins. Aber auch sein Gegner hatte Verwandte, Freunde und Beschützer. Der Vorfall ereignete sich im Hause des Grafen Roman Woronzow und der Kranke befand sich bei ihm. Endlich jedoch schwand die Gefahr; die Sache wurde beigelegt und vergessen.
Im Laufe des Monats Mai stellten sich wieder Anzeichen von Schwangerschaft bei mir ein. Wir begaben uns nach Liberitza, dem Gute des Großfürsten, zwölf bis vierzehn Werst von Moskau entfernt. Das steinerne Haus, welches Fürst Menschikoff früher dort errichtet hatte, war verfallen. Wir konnten es daher nicht bewohnen, und man schlug Zelte für uns auf. Morgens zwischen zwei und drei Uhr wurde mein Schlaf von den Hammerschlägen und dem Lärm unterbrochen, den man beim Bau eines hölzernen Flügels machte, welcher in aller Eile, so zu sagen zwei Schritte von unsern Zelten errichtet wurde, damit wir wenigstens während des Restes des Sommers eine Wohnstätte hätten. Später gingen wir meist aufdie Jagd oder spazieren, aber ich ritt nicht mehr, sondern fuhr im offenen Wagen.
Kurz vor dem Peterstage kehrten wir nach Moskau zurück. Ich war damals so schlafmüde, daß ich jeden Tag bis Mittag schlief und nur mit Mühe zum Diner geweckt werden konnte. Die Feier von St. Peter ging wie gewöhnlich vor sich: ich kleidete mich an, war bei der Messe, beim Diner, beim Ball und beim Souper zugegen. Tags darauf indes fühlte ich Schmerzen im Kreuz. Madame Tschoglokoff ließ sofort die Hebamme kommen, die mir die vorzeitige Geburt vorhersagte, die während der Nacht stattfand. Ich mochte wohl zwei oder drei Monate guter Hoffnung gewesen sein. Dreizehn Tage lang schwebte ich in Lebensgefahr, da man fürchtete, ein Teil der Nachgeburt sei zurückgeblieben, bis endlich am vierzehnten Tage dieselbe von selbst ohne Anstrengung und Schmerzen abging. Wegen dieses Vorfalls mußte ich mein Zimmer sechs Wochen lang während einer unerträglichen Hitze hüten. Während dieser Zeit meiner Krankheit langweilte ich mich tödlich. Meine ganze Gesellschaft bestand in Madame Tschoglokoff – die noch dazu sehr selten zu mir kam – und einer kleinen Kalmückin, welche ich sehr gern hatte, weil sie äußerst anmutig war. Ich weinte oft vor Langeweile. Was den Großfürsten betraf, so hielt er sich meist in seinen Zimmern auf, wo einer seiner Kammerdiener namens Karnowitsch, ein Ukrainer und ebenso großer Narr als Trunkenbold, ihn nach Kräften unterhielt, indem er ihm Spielsachen, Wein und starke Getränke brachte, so viel er nur konnte. Tschoglokoff, den überhaupt alle täuschten und an der Nase herumführten, wußte natürlich davon nichts. Doch während der geheimen nächtlichen Bacchanalien des Großfürsten mit seinen Kammerbedienten, unter denen sich auch mehrere junge Kalmücken befanden, hörte man oft wenig auf seine Befehle und bedienteihn schlecht. In ihrer Trunkenheit wußten sie nicht, was sie taten, und vergaßen, daß sie mit ihrem Herrn zusammen waren, und daß dieser Herr der Großfürst war. Dann nahm seine kaiserliche Hoheit gewöhnlich zu Stockschlägen und flachen Säbelhieben seine Zuflucht, aber trotzdem gehorchten ihm seine Genossen schlecht, und mehr als einmal beklagte er sich über seine Leute bei mir und bat mich, sie zur Vernunft zu bringen. Ich begab mich daher in sein Zimmer, schalt sie, erinnerte sie an ihre Pflichten und brachte sie sofort zum Gehorsam, so daß der Großfürst wiederholt gegen mich äußerte und auch gegen Bresson bemerkte, er wisse nicht, wie ich es mit seinen Leuten anfange; er selbst schelte sie und könne sie nicht zum Gehorchen bringen, während ich von ihnen alles mit einem Worte erlange. Als ich eines Tages wieder einmal zu demselben Zwecke das Zimmer des Großfürsten betrat, fiel mein
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