Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
Vom Netzwerk:
Blick auf eine große Ratte, die er mit dem ganzen Apparat einer Hinrichtung in der Mitte eines durch eine Bretterwand gebildeten Kabinetts hatte aufhängen lassen. Auf meine Frage, was dies bedeute, erwiderte er, diese Ratte habe eine verbrecherische Handlung begangen, die nach den Kriegsgesetzen mit Hinrichtung bestraft werden müsse. Sie sei über die Wälle einer Festung aus Pappe gesprungen, welche auf dem Tische in diesem Kabinett stand, und habe zwei aus Zunder verfertigte Schildwachen, die auf den Wällen Dienst getan, aufgefressen. Er habe daher den Verbrecher nach den Kriegsgesetzen verurteilen lassen. Sein Hühnerhund habe die Ratte erwischt, und wie ich sehe, sei sie sofort gehängt worden und solle als warnendes Beispiel drei Tage vor den Augen des Publikums ausgestellt bleiben. Ich konnte nicht umhin, über die unglaubliche Albernheit dieses Vorgangs in lautes Lachen auszubrechen, erregte jedoch dadurch sein größtes Mißfallen. In Anbetracht der Wichtigkeit, die er der Sache beimaß, zog ich mich zurück und verschanztemich als Frau hinter meine Unkenntnis der Kriegsgesetze. Allein er hörte nicht auf, mich wegen meines Lachens zu schelten, und doch konnte man zur Rechtfertigung der Ratte mindestens das anführen, daß sie gehängt worden war, ohne daß man sie aufgefordert, sich zu rechtfertigen, oder ihre Rechtfertigung gehört hatte.
    Während des diesjährigen Aufenthaltes des Hofes in Moskau wurde ein Hoflakai irrsinnig. Die Kaiserin befahl sofort Boerhave, ihrem Leibarzte, den Menschen zu behandeln, und er wurde in einem Zimmer in der Nähe der Wohnung Boerhaves, der im Schlosse wohnte, untergebracht. Zufällig verloren in demselben Jahre noch verschiedene andere Personen den Verstand, so daß ein förmliches kleines Irrenhaus bei Hofe entstand. Wie ich mich erinnere, waren die bemerkenswertesten Insassen ein Major aus der Semenoffskischen Garde namens Tschedajeff und ein Mönch des Klosters Woskressenski. Letzterer hatte sich mit einem Rasiermesser seiner Männlichkeit beraubt. Der Wahnsinn Tschedajeffs bestand darin, daß er Schah Nadir, sonst Thamas Kuli Khan, Usurpator und Tyrann von Persien genannt, für den lieben Gott hielt. Als es den Aerzten nicht gelang, ihn von seiner Marotte zu heilen, übergab man ihn den Pfaffen, die der Kaiserin versprachen, den Teufel aus ihm austreiben zu wollen. Sie war selbst bei dieser Zeremonie zugegen, allein Tschedajeff blieb genau so verrückt, wie er war. Indes gab es Leute, die an seiner Verrücktheit zweifelten, weil er, außer was Schah Nadir betraf, in jeder Beziehung vernünftig war. Ja, seine Freunde fragten ihn sogar oft um Rat, und stets gab er ihnen verständige Ratschläge. Die, welche ihn nicht für irrsinnig hielten, behaupteten, er wolle sich nur mit List aus verzweifelten Verhältnissen, in die er verwickelt war, retten. Zu Anfang der Regierung der Kaiserin Elisabeth war er nämlich bei derSteuerrevision angestellt gewesen und man hatte ihn der Erpressung angeklagt. Aus Furcht, nun verurteilt zu werden, nahm er zu der erwähnten Affektion seine Zuflucht, die ihn denn auch glücklich aus der Affäre zog.

Dreizehntes Kapitel.
    Rückkehr aufs Land. – Unglücksfall in der Kirche des Klosters Woskressenski. – Zweite Verlobung der Prinzessin von Kurland. – Das Schloß brennt! – Die Röcke der Gräfin Schuwaloff. – Unerwartete Entdeckung im Zimmer des Großfürsten. – Das Bischofshaus. – Sergius vernachlässigt mich. – Eine tiefe Traurigkeit bemächtigt sich meiner. – Uebersiedelung nach Liberitza. – Der Großfürst öffnet Tschoglokoff die Augen. – Schlauheit Sergius Soltikoffs. – Er schläfert Tschoglokoff aufs neue ein. – Rückkehr nach Moskau.
    Mitte August 1753 kehrten wir aufs Land zurück. Die Kaiserin begab sich an ihrem Namenstage, dem 5. September, in das Kloster Woskressenski, wo während ihres Aufenthaltes der Blitz in die Kirche einschlug. Glücklicherweise befand sich Ihre Majestät in einer Kapelle neben der Hauptkirche und erfuhr so das Geschehene nur durch den Schreck ihres Gefolges; niemand wurde übrigens verwundet oder getötet. Kurze Zeit darauf kam sie wieder nach Moskau, und auch wir kehrten von Liberitza dorthin zurück. Bei unserer Rückkehr in die Stadt sahen wir die Prinzessin von Kurland der Kaiserin für die Erlaubnis zu ihrer Vermählung mit dem Fürsten Georg Howanski öffentlich die Hand küssen. Mit ihrem ersten Verlobten, Peter Soltikoff, hatte sie gebrochen, der seinerseits gleich

Weitere Kostenlose Bücher