Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
meinerseits gestehe, daß ich über die Mitteilungen des Großfürsten empört war. Und um ihn von diesem Gegenstand abzubringen, ließ ich ihn merken, daß ich von dem zwischen ihm und Tschoglokoff Vorgegangenen unterrichtet sei. Er errötete, antwortete nicht, entfernte sich, grollte mir, und dabei blieb es.
Nach Moskau zurückgekehrt, quartierte man uns aus dem Hause des Bischofs in die Gemächer des sogenannten Sommerhauses der Kaiserin ein, welches vom Brande verschont geblieben war. Elisabeth selbst hatte sich binnen sechs Wochen eine neue Wohnung einrichten lassen, wozu man das Gebälk aus dem Hause in Perowa sowie aus dem des Grafen Hendrikoff und der Fürsten von Georgien herbeigeschafft hatte.
Vierzehntes Kapitel.
Neujahr 1754. – Ein kaiserliches Witzwort. – Verlobung der Fürstin Gagarin mit Dimitri Matjuschkin. – Madame Tschoglokoffs Leidenschaft für den Fürsten Peter Repnin. – Tschoglokoff erkrankt schwer. – Er schüttet mir sein Herz aus. – Wortwechsel der beiden Ehegatten. – Die Kaiserin kontrolliert mich. – Sie schöpft Verdacht. – Tod Tschoglokoffs. – Aberglaube seiner Frau. – Verabschiedung Madame Tschoglokoffs. – Man will mir die Gräfin Rumtanzoff wieder geben. – Mein Kummer darüber. – Langweilige Fahrt nach Petersburg. – Schreckliche Befürchtungen.
In diesem neuen Hause feierte die Kaiserin den 1. Januar des Jahres 1754. Der Großfürst und ich hatten die Ehre, mit ihr öffentlich unter dem Thronhimmel zu dinieren. Bei Tafel schien Ihre Majestät sehr heiter und gesprächig. Neben dem Throne waren Tische für mehrere hundert Gäste aus den vornehmsten Kreisen der Gesellschaft gedeckt, während des Diners fragte die Kaiserin, wer jene magere, häßliche Person mit demKranichhals sei, die sie dort sitzen sehe – sie deutete auf den Platz. Und als man ihr sagte, es sei Fräulein Martha Schasiroff, brach sie in lautes Lachen aus, wendete sich dann zu mir und sagte, dies erinnere sie an ein russisches Sprichwort, welches laute: Ein langer Hals ist nur gut zum Aufhängen. Ich konnte mich nicht enthalten, über die Bosheit des kaiserlichen Witzes zu lächeln, und die Worte Ihrer Majestät fielen nicht auf unfruchtbaren Boden. Von Mund zu Mund wiederholten sie die Hofleute, so daß ich, als wir von der Tafel aufstanden, schon viele davon unterrichtet fand. Ob der Großfürst es gehört hatte, weiß ich nicht, er erwähnte es mit keiner Silbe, und ich hütete mich natürlich, mit ihm darüber zu sprechen.
Kein Jahr war so reich an Feuersbrünsten, als das Jahr 1753–1754. Mehr als einmal sah ich von meinen Fenstern im Sommerpalast aus zwei, drei, vier, ja fünf Brände zugleich an verschiedenen Punkten Moskaus auflodern.
Während des Karnevals arrangierte die Kaiserin mehrere Bälle und Maskenfeste in ihren Gemächern. Auf einem derselben bemerkte ich, daß sie eine lange Unterredung mit der Generalin Matjuschkin hatte, die nicht wollte, daß ihr Sohn sich mit der Fürstin Gagarin, meiner Ehrendame, vermählte. Allein die Kaiserin überredete die Mutter, und die Fürstin Gagarin, die achtunddreißig gutgezählte Jahre hinter sich hatte, erhielt die Erlaubnis, Dimitri Matjuschkin zu heiraten. Sie sowohl als ich selbst waren sehr froh darüber; es war eine Liebesheirat und Matjuschkin war damals sehr schön.
Madame Tschoglokoff zog nicht mit uns in die Sommerwohnung, sondern blieb unter verschiedenen Vorwänden mit ihren Kindern in ihrem nahe dem Schlosse gelegenen Hause. In Wahrheit hatte sie, so einsichtsvoll und voller Liebe zu ihrem Gemahle sie sonst gewesen war, eine große Leidenschaft für den Fürsten Peter Repnin und eine sichtliche Abneigunggegen ihren Gatten gefaßt. Sie glaubte indes ohne eine Vertraute nicht glücklich zu sein, und ich schien ihr wohl dazu am zuverlässigsten. Sie zeigte mir alle Briefe, die sie von ihrem Geliebten empfing, während ich ihr Geheimnis mit skrupulöser Treue und Gewissenhaftigkeit bewahrte. Trotzdem sie den Fürsten nur ganz im geheimen sah, stieg dem Gemahl der Dame Verdacht auf. Daran war ein Offizier der Garde zu Pferd, namens Kaminin, schuld, der die Verkörperung der Eifersucht und des Verdachtes selbst war; es lag so in seinem Charakter. Tschoglokoff kannte ihn schon lange. Er wandte sich an Sergius Soltikoff, der ihn zu beruhigen suchte, denn ich hütete mich, Sergius etwas davon mitzuteilen, aus Furcht, er könne eine unfreiwillige Indiskretion begehen. Endlich klopfte Tschoglokoff auch bei mir an, aber ich
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