Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Augenblick all meinen Mut, als ich dies hörte. Ich weinte bitterlich und sagte dem Grafen Alexander Schuwaloff, wenn man mir die Gräfin Rumianzoff gebe, könnte ich darin nur ein großes Unglück für mich erblicken, denn diese Frau habe früher meiner Mutter durch Anschwärzungen bei der Kaiserin geschadet und werde es nun genau so mit mir machen. Als sie bei uns gewesen sei, habe man sie gefürchtet wie die Pest, und wenn er kein Mittel fände, diese Verfügung abzuwenden, würden viele Personen dadurch ins Unglück gestürzt werden. Er versprach, sich darum zu bemühen und suchte mich zu beruhigen. Da er besonders meinen damaligen Zustand befürchtete, begab er sich auch sofort zur Kaiserin, und als er zurückkam, drückte er die Hoffnung aus, daß sie mir die Gräfin Rumianzoff wahrscheinlich nicht beigeben werde, wirklich hörte ich nichts mehr davon, und man beschäftigte sich ausschließlich mit der Abreise nach Petersburg. Es wurde bestimmt, daß wir neunundzwanzig Tage unterwegs sein sollten, also jeden Tag nicht mehr, als eine Poststation zurücklegen durften. Ich kam bald um vor Angst, man werde Sergius Soltikoff und Leon Narischkin in Moskau zurücklassen, allein man hatte, ich weiß nicht aus welchem Grunde, die Gnade, sie mit auf die Liste unseres Gefolges zu setzen.
Am 10. oder 11. verließen wir endlich den Moskauer Palast. Ich fuhr in einem Wagen mit der Gemahlin des Grafen Alexander Schuwaloff, der langweiligsten Frau, die man sich denken kann, ferner mit Madame Wladislawa und der Hebamme, die man sich nicht ersparen zu können glaubte, weil ich guter Hoffnung war. Ich langweilte mich zumSterben, und weinte beständig. Endlich paßte die Fürstin Gagarin einen günstigen Augenblick ab, wo sie sich mir nähern konnte, um mir zu sagen, daß sie sich bemühe, Madame Wladislawa günstig für mich zu stimmen, weil sie und alle andern fürchteten, die Hypochondrie, in welche mein Zustand mich versetzte, könnte mir und dem Kinde unter meinem Herzen schaden. Was Sergius Soltikoff angehe, so wage er sich mir weder von nah noch von fern zu nähern wegen der Aufsicht und fortwährenden Gegenwart des Schuwaloffschen Ehepaares. Sie persönlich liebte die Gräfin Schuwaloff nicht, weil deren mit Golowkin, einem Vetter der Fürstin Gagarin, vermählte Tochter sich gegen die Eltern ihres Gemahls sehr wenig zuvorkommend benahm. Es gelang ihr denn auch wirklich, bei Madame Wladislawa Gehör zu finden, die sich endlich hinsichtlich meines Zustandes und des drückenden Zwangs, aus dem eben jene Melancholie entsprang, deren ich nicht mehr Herr werden konnte, bewegen ließ. Es handelte sich übrigens um ein Geringes; nämlich um nichts weiter, als um eine kurze Unterhaltung mit Sergius Soltikoff. Endlich wurde mir dieselbe gewährt.
So kamen wir nach neunundzwanzig langweiligen Reisetagen in Petersburg im Sommerpalast an, wo der Großfürst sofort wieder seine Konzerte einführte. Dies gewährte mir indes bisweilen die Möglichkeit eines Zusammenseins mit Soltikoff. Allein meine Melancholie hatte einen so hohen Grad erreicht, daß ich bei der geringsten Veranlassung in Tränen ausbrach. Tausend Befürchtungen erfüllten meine Seele; kurz, ich konnte mich nicht von dem Gedanken befreien, daß alles auf die Entfernung Sergius Soltikoffs hinziele.
Fünfzehntes Kapitel.
Geburt meines Sohnes Paul. – Man entfernt mein Kind sofort nach der Geburt von mir. – Rücksichtslose Behandlung einer Wöchnerin. – Von aller Welt verlassen! – Die blaue Atlasmantille der Kaiserin. – Kurioser Hund unter dem Kopfkissen Elisabeths. – Der Großfürst macht der Gräfin Woronzow den Hof. – Taufe meines Sohnes. – Das Wochengeschenk der Kaiserin. – Mein Gemahl ist neidisch darauf. – Tauffestlichkeiten. – Verdruß des Großfürsten. – Ich sehe meinen Sohn zum ersten Male. – Erste Huldigungen und erster Ausgang. – Fieberanfälle.
Wir begaben uns nach Peterhof. Ich ging dort viel spazieren, aber mein Kummer verließ mich nicht. Im Herbst kehrten wir in die Stadt zurück. Wie ein tödlicher Schlag traf es mich, als ich erfuhr, daß man für meine Niederkunft Zimmer einrichtete, welche an die Gemächer der Kaiserin stießen und ihr gehörten. Alexander Schuwaloff war beauftragt, mir dieselben zu zeigen. Ich fand zwei Zimmer wie alle andern im Sommerpalast, düster und nur mit einem Ausgang versehen, schlecht möbliert in rotem Damast und jeder Bequemlichkeit bar. Daß ich hier einsam, ohne alle Gesellschaft und sehr
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