Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
machte sie lächerlich, wo ich nur konnte, wußte ihnen immer einige Sarkasmen zu sagen, welche sich blitzschnell in der ganzen Stadt verbreiteten und ihre schadenfrohen Feinde auf ihre Kosten amüsierten. Mit einem Wort, ich rächte mich an ihnen auf jede nur mögliche Weise. Waren sie anwesend, so verfehlte ich niemals, diejenigen auszuzeichnen, die sie nicht leiden mochten, und da eine große Anzahl Leute sie haßten, hatte ich keinen Mangel an Personen, die für meine Zwecke geeignet waren. Besonders bezeigte ich den beiden Grafen Razumowski, die ich sehr gern hatte, mehr Gunst denn je, verdoppelte meine Aufmerksamkeit und Höflichkeit gegen jedermann, mit Ausnahme der Schuwaloffs. Kurz, ich hielt mich aufrecht, ging erhobenen Hauptes, mehr als Anführer einer großen Partei, als ein gedemütigtes undunterdrücktes Wesen einher. Einen Augenblick wußten die Herren Schuwaloff nicht, wie sie sich dazu stellen sollten. Sie hielten Rat und nahmen ihre Zuflucht zu höfischen Listen und Ränken. Zu jener Zeit erschien in Rußland ein Herr Brockdorf, ein holsteinscher Edelmann, der früher durch die damalige Umgebung des Großfürsten, Brummer und Berkholz, aus Rußland ausgewiesen worden, weil er als intriganter Mensch von schlechtem Charakter bekannt war. Dieser kam den Schuwaloffs sehr gelegen. Da er vom Großfürsten als Herzog von Holstein einen Kammerherrnschlüssel erhalten, hatte er Zutritt bei Seiner kaiserlichen Hoheit, die überhaupt für jeden Dummkopf, der aus Holstein kam, günstig gestimmt war. Brockdorf wurde bald mit Peter Schuwaloff bekannt, und zwar auf folgende Weise. In dem Gasthause, wo er logierte, machte er die Bekanntschaft eines Menschen, der die Gasthäuser Petersburgs nur verließ, um drei sehr hübsche deutsche Mädchen namens Reifenstein zu besuchen, von denen die eine vom Grafen Peter Schuwaloff unterhalten wurde. Der Erwähnte hieß Braun und war eine Art Makler für alle möglichen Dinge. Er brachte auch Brockdorf zu den Mädchen, wo dieser den Grafen Schuwaloff traf. Letzterer erklärte in den überschwenglichsten Ausdrücken seine Ergebenheit für den Großfürsten und beklagte sich selbstverständlich über mich. Brockdorf berichtete alles bei der ersten Gelegenheit dem Großfürsten wieder und bearbeitete ihn, er solle, wie er sich ausdrückte, seine Frau zur Vernunft bringen. Zu diesem Zwecke kam Seine kaiserliche Hoheit eines Tages nach dem Diner in mein Zimmer und sagte, ich fange wirklich an, ganz unerträglich stolz zu werden, aber er wolle mich schon zur Vernunft bringen. Als ich ihn fragte, worin denn dieser Stolz bestehe, antwortete er: »Sie halten sich außerordentlich gerade.« Darauf fragte ich aufs neue, ob man, um ihm zu gefallen, mit gekrümmtem Rücken, wiedie Sklaven des Sultans, gehen müsse? Hierüber wurde er böse und sagte, er werde mich schon zur Vernunft zu bringen wissen. – »Wie?« fragte ich. Da stellte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, zog seinen Degen bis zur Hälfte und zeigte ihn mir. Ich fragte ihn, was dies bedeute, ob er sich mit mir schlagen wolle? Aber dann müsse auch ich einen Degen haben. Er stieß seinen Säbel wieder in die Scheide und sagte, meine Schlechtigkeit überschreite jegliche Grenze, und als ich ihn fragte, inwiefern? erwiderte er stotternd: »Nun, den Schuwaloffs gegenüber.« Hierauf antwortete ich, er schwatze alles nach, was er höre, und würde gut tun, lieber nicht von Dingen zu sprechen, die er nicht wisse oder verstehe. Er indes fuhr fort: »Das sind die Folgen, wenn man seinen wahren Freunden nicht traut; es geht einem schlecht dabei. Hätten Sie Vertrauen zu mir gehabt, Sie würden sich sehr wohl dabei befunden haben.« – Ich erwiderte: »Vertrauen, worin?« – Und nun begann er eine so unsinnige und gegen die gewöhnlichen Regeln des gesunden Menschenverstandes verstoßende Auseinandersetzung, daß ich, da ich sah, daß er einzig und allein faselte, ihn reden ließ, ohne zu antworten, und eine günstige Pause benutzte, um ihm den Rat zu geben, er solle zu Bett gehen. Denn ich sah deutlich, daß der Wein ihm sein ganzes bißchen Vernunft genommen und allen Verstand in ihm abgestumpft hatte. Er folgte denn auch meinem Rate und legte sich schlafen. Schon damals fing er an, fortwährend nach Wein und Tabak zu riechen, ein Geruch, der allen, die ihm nahe kamen, unerträglich war.
Denselben Abend beim Kartenspiel meldete mir Graf Alexander Schuwaloff seitens der Kaiserin, sie habe meinen Damen verboten, verschiedene
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