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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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Oranienbaum geschickt, weil sie ihn fürchte.
    Zu Pfingsten, glaube ich, ließ man uns von Oranienbaum nach der Stadt kommen. Ungefähr um dieselbe Zeit traf der englische Gesandte Sir Williams in Rußland ein. In seinem Gefolge befand sich auch der polnische Graf Poniatowski, der Sohn jenes Poniatowski, der die Partei Karls XII., des Königs von Schweden, vertreten hatte. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Stadt kehrten wir nach Oranienbaum zurück, wo auf Befehl der Kaiserin die Feier des Peterstages stattfinden sollte. Sie selbst erschien nicht dabei, weil sie keine Lust hatte, daserste Namensfest meines Sohnes Paul zu feiern, welches auf denselben Tag fällt. Sie blieb also in Peterhof, setzte sich an ein Fenster und verließ diesen Platz wahrscheinlich den ganzen Tag nicht, denn alle, die nach Oranienbaum kamen, wollten sie sitzen gesehen haben. Die Gesellschaft war sehr zahlreich. In dem Saale am Eingang meines Gartens wurde getanzt und später gegessen, wozu sich auch die fremden Gesandten und Minister einfanden. Dabei erinnere ich mich, daß der englische Gesandte Sir Williams beim Souper mein Nachbar war und wir uns auf eine ebenso angenehme als heitere Weise unterhielten. Da er viel Geist und Kenntnisse besaß und fast ganz Europa kannte, war es nicht schwer, mit ihm zu konversieren. Später hörte ich, daß er sich an diesem Abend ebensosehr amüsiert hatte, als ich, und mit großer Anerkennung von mir gesprochen habe. Das letztere war mir übrigens bei mir verwandten Seelen nichts Neues, und da ich damals noch wenige Neider hatte, sprach man im allgemeinen mit viel Achtung von mir. Ich galt für geistreich, und viele, die mich näher kannten, ehrten mich durch ihr Vertrauen, fragten mich um Rat und befanden sich nicht übel dabei. Selbst der Großfürst nannte mich seit langer Zeit »Madame Hilfsquelle«, und so böse und verdrießlich er auch gegen mich sein mochte, kam er doch, sobald er in irgend einer Beziehung sich nicht zu helfen wußte, gewohnheitsgemäß eilig zu mir gelaufen, um sich meinen Rat zu holen, worauf er, nachdem er ihn empfangen, sich ebenso eilig wieder aus dem Staube machte. Auch erinnere ich mich, daß ich bei jenem Feste in Oranienbaum, während Graf Poniatowski tanzte, mit dem Chevalier Williams über Poniatowskis Vater sprach und wie schlecht sich derselbe gegen Peter I. benommen habe. Der englische Gesandte sagte mir viel vorteilhaftes vom Sohne und bestätigte mir, was ich wußte, nämlich daß sein Vater und die Familie seiner Mutter, dieCzartoriskis, damals die russische Partei in Polen bildeten, und der Alte seinen Sohn nach Rußland geschickt habe, um ihn in den Gefühlen seiner Partei für Rußland zu befestigen. Im übrigen hofften seine Verwandten sehr auf den Erfolg des jungen Mannes in Rußland. Poniatowski mochte damals zwei- bis dreiundzwanzig Jahre alt sein. Ich erwiderte dem englischen Gesandten, was die Fremden beträfe, so betrachte ich Rußland überhaupt als einen Probierstein des Verdienstes, und wer in Rußland Erfolg habe, könne sicher sein, in ganz Europa Erfolg zu haben. Und diese Ansicht habe ich stets aufrecht erhalten, denn nirgends als in Rußland versteht man besser die Schwächen, Lächerlichkeiten und Fehler eines Ausländers zu entdecken. Man kann gewiß sein, daß ihm hier nichts entgeht, weil jeder Russe von Natur aus die Fremden nicht liebt.
    Um dieselbe Zeit erfuhr ich, wie unüberlegt Sergius Soltikoff sich sowohl in Schweden als in Dresden benommen hatte. Außerdem hatte er allen Frauen, mit denen er in Beziehung kam, seine Liebesgeschichte erzählt. Anfangs wollte ich es zwar nicht glauben, allein später wurde es mir von so vielen Seiten wiederholt, daß ihn sogar seine Freunde nicht mehr entschuldigten.
    Während dieses Jahres knüpfte ich die engsten Freundschaftsbande mit Anna Narischkin, woran ihr Stiefbruder Leon großen Anteil hatte. Er war immer als Dritter in unserm Bunde, und seine Narrheiten nahmen kein Ende. Manchmal sagte er zu uns: »Derjenigen von euch beiden, die sich am besten aufführt, schenke ich ein Kleinod, wofür ihr mir Dank wissen werdet.« Wir ließen ihn reden, und keine hatte das Verlangen, zu wissen, was dies Kleinod sei.
    Im Herbst wurden die holsteinschen Truppen auf dem Seewege wieder zurücktransportiert und wir bezogen denSommerpalast. Leon Narischkin erkrankte damals an einem hitzigen Fieber, während welcher Zeit er mir Briefe schrieb, denen ich auf den ersten Blick ansah, daß sie nicht von ihm waren.

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