Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
verschiedenen Gerichtshöfen und dem Senate betreiben, wie Monopole und andere Steuern, die sonst niemals hätten durchgehen können, weil sie den Gesetzen Peters I. zuwiderliefen. Außerdem stürzte Brockdorf Peter III. mehr als je in Trunk und Liederlichkeit, umgab ihn mit einem Haufen von Abenteurern und Individuen, die aus den Wachtstuben und Kneipen Deutschlands und Petersburgs herstammten, weder Treu noch Glauben kannten und nichts taten, als zechen, essen, rauchen und gemeine Redensarten führen.
Als ich bemerkte, daß trotz allem, was ich sagte und tat, um Brockdorfs Einfluß zu schwächen, dieser sich beim Großfürsten behauptete, ja größere Gunst genoß als zuvor, faßte ich den Entschluß, dem Grafen Schuwaloff mitzuteilen, wie ich über diesen Menschen dachte, und ihm zu erklären, daß ich ihn als einen der gefährlichsten Menschen betrachte, die man möglicherweise einem jungen Fürsten, dem Erben eines großen Reichs beigeben könne. Ich hielt es für meine Pflicht, die Sache ganz im Vertrauen mit ihm zu besprechen, damit er dieKaiserin davon benachrichtigen oder passende Maßregeln treffen könne. Darauf fragte Schuwaloff, ob er mich nennen dürfe, was ich ihm getrost gestattete. Sollte übrigens die Kaiserin mich selbst fragen, so würde ich kein Blatt vor den Mund nehmen und alles sagen, was ich wisse und gesehen habe. Graf Alexander Schuwaloff blinzelte mit den Augen und hörte mir sehr ernsthaft zu, wagte indes nicht, ohne den Rat seines Bruders Peter und seines Vetters Iwan Iwanowitsch zu handeln. Lange Zeit hörte ich nichts von ihm, bis er mir endlich eines Tages zu verstehen gab, es sei wohl möglich, daß die Kaiserin mit mir reden würde.
Inzwischen kam eines schönen Morgens der Großfürst in mein Zimmer gestürzt, während ihm sein Sekretär Zeitz mit einem Papier in der Hand folgte. – »Sehen Sie bloß diesen verteufelten Kerl!« rief der Großfürst, »bringt er mir heute, wo ich noch ganz betäubt von dem vielen Trinken von gestern bin, einen großen Bogen Papier, nichts als Register der Angelegenheiten, die ich zu Ende führen soll; er verfolgt mich sogar bis in Ihr Zimmer.« – Zeitz wandte sich zu mir und sagte: »Alles was ich hier habe, kann in einer Viertelstunde durch ja oder nein entschieden werden.« – »Nun, wir wollen sehen,« sagte ich, »vielleicht kommen wir eher damit zu Ende, als Sie glauben.« – Und nun schickte sich Zeitz an zu lesen, und je nach Gutdünken bemerkte ich »ja« oder »nein«. Dies gefiel dem Großfürsten sehr, und sein Sekretär sagte: »Wirklich, gnädigster Herr, wenn Sie erlauben wollten, daß wir es zweimal wöchentlich so machten, würden Ihre Geschäfte nicht stocken. Es sind freilich nur Kleinigkeiten, aber sie müssen doch auch zum Abschluß gebracht werden, und Sie sehen ja, die Großfürstin hat sie mit einem halben Dutzend Ja und ebenso vielen Nein entschieden.« – Von diesem Tage an gefiel es Seiner kaiserlichen Hoheit, Zeitz jedesmal zu mir zuschicken, wenn es Fragen mit ja oder nein zu beantworten gab. Nach einiger Zeit bat ich ihn, mir ein Schriftstück auszustellen über das, was ich ohne seinen speziellen Befehl erledigen und nicht erledigen dürfe, was er denn auch tat. Nur Pechlin, Zeitz und ich wußten von dieser Aenderung, mit der die beiden ersteren außerordentlich zufrieden waren. Wenn es sich darum handelte, zu unterzeichnen, unterzeichnete der Großfürst nur was ich vorher geregelt hatte. Die Affäre Elendsheim blieb in Brockdorfs Händen. Da indes Elendsheim im Gefängnis saß, beeilte sich Brockdorf nicht sehr, sie zu Ende zu bringen, weil sein Zweck so ziemlich damit erreicht war. Er hatte ihn von den Geschäften entfernt und den Holsteinern gezeigt, wie groß sein Einfluß über seinen Herrn war; weiter wollte er nichts.
Eines Tages benutzte ich die Gelegenheit, den Großfürsten zu fragen, ob er, da er die Verwaltung Holsteins schon langweilig finde und sie als eine Probe dessen ansehe, was er eines Tages zu verwalten haben werde, später wenn ihm das russische Reich zufalle, nicht diese Zeit als eine noch viel drückendere Last empfinde. Darauf wiederholte er, was er mir schon tausendmal geantwortet: er fühle, daß er nicht für Rußland geschaffen sei; er gefalle weder den Russen, noch gefielen die Russen ihm, und er sei überzeugt, daß er in Rußland zugrunde gehen werde. Ich meinerseits erwiderte ihm nun, was ich ihm ebenfalls schon oft gesagt, nämlich, daß er sich in diesen verhängnisvollen
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