Erinnerungen der Nacht
angestellt?“, fragte er wieder.
Sie schlug die Augen nieder. „Ich hatte sein lüsternes Grapschen satt. Der Trottel hat versucht, mir die Zunge ins Ohr zu stecken.“
Jamey kicherte heftig und schüttelte den Kopf, sodass sich seine langen schwarzen Locken im Rhythmus des Lachens bewegten. Rhiannon sah ihn lächelnd an, während Roland sie mit finsteren Blicken musterte.
„Rhiannon, du hast die Frage nicht beantwortet.“
Sie zuckte kaum merklich die Schultern. „Monsieur Rogers macht ein Nickerchen. Ich glaube, er hat in letzter Zeit zu viel gearbeitet.“
„Rhiannon …“ Rolands Stimme hatte einen ungeduldigen Unterton angenommen, aber sie schien so damit beschäftigt zu sein, heimliche Blicke mit Jamey zu wechseln, dass sie es gar nicht bemerkte.
„Oh Roland, ich habe ihm bloß eine Kopfnuss gegeben. Ehrlich, da bleibt nicht mal eine Narbe übrig.“
„Na großartig!“ Roland hob die Arme hoch. „Jetzt weiß er, dass du mit uns im Bunde bist. Er wird bestimmt auf Rache sinnen und dich ab sofort ebenso verfolgen wie mich.“ Es machte ihn rasend, dass sie sich andauernd selbst in Gefahr brachte. Dann wurde ihm klar, wie seine Sorge um sie in ihren Ohren klingen musste. Wenn sie seine wahren Gefühle kannte, würde sie mit ihren Versuchen, ihn zu verführen, gar nicht mehr aufhören. Und am Ende würde er ihr nur wehtun.
„Und du hast ihn einfach vor dem Tor liegen lassen, wo er uns den Weg versperrt“, fügte Roland hinzu, damit sein Vorwurf strenger klang.
Rhiannon sah Jamey in die Augen und blinzelte.
„Also gut, mein Vögelchen, raus damit. Du hast ihn nicht vor dem Tor liegen lassen, oder?“
„Aber natürlich nicht. Ich bin doch keine Idiotin.“ Sie legte Jamey eine Hand auf die Schulter. „Komm jetzt, pack eine Reisetasche oder zwei. Der hübsche Cadillac steht noch da draußen und ist startbereit.“
„Wohin gehen wir?“
„Zu mir. Ich habe ein kleines Haus außerhalb des Dorfs. Dort kann Rogers dir nichts anhaben.“
„Nein, Rhiannon. Jamey ist hier sicherer, wo Frederick und ich auf ihn aufpassen können.“
Sie betrachtete ihn eine ganze Weile und schien angestrengt nachzudenken. „Na gut, meinetwegen. Ich bin bald wieder hier.“
„Rhiannon, wohin willst du …“ Noch bevor Roland die Frage zu Ende bringen konnte, war sie fort. Eine Sekunde später hörte er den Motor von Curtis Rogers’ Auto aufheulen. Dann verschwand es mit quietschenden Reifen in der Nacht.
Keith
3. KAPITEL
Sie nahm das schöne Auto. Nicht dass sie sich allein nicht wesentlich schneller hätte fortbewegen können. Sie fuhr lange Zeit, passierte das Dorf L’Ombre und seine verschlungenen Straßen, nahm scharfe Kurven mit halsbrecherischem Tempo und lachte dabei, bis die Asphaltspuren schließlich breiter und der Verkehr dichter wurden.
Als sie schließlich mit quietschenden Reifen am Flughafen von Paris hielt, zog sie die Schlüssel ab, ging nach hinten und öffnete den Kofferraum.
Rogers stöhnte und hielt sich den Kopf mit beiden Händen, als er sich aufrichtete. Er sah sie mit zusammengekniffenen, wütenden Augen an, bewegte sich jedoch nicht.
„Sie haben eine Spritze in Ihrer Brusttasche“, sagte sie leise. „Holen Sie sie heraus.“
Er setzte sich gerade hin und schob eine Hand in die Innentasche des Jacketts. Sie beobachtete ihn genau, und als er die Hand verkrampfte, streckte sie ihre blitzschnell aus und packte ihn am Handgelenk, bevor er auch nur die Möglichkeit bekam, sich zu rühren. Er hatte ihre Bewegung vermutlich nicht einmal gesehen.
„Das lasse ich mir nicht gefallen. Roland sagte mir, dass Ihre Droge tatsächlich funktioniert.“ Sie zog die Hand unter dem Jackett hervor. Im Vergleich zu ihrer Kraft wirkte sein kläglicher Widerstand fast lächerlich. Sie griff mit der freien Hand nach der Spritze. „Wirklich entsetzlich, diese kleine Nadel. Aber ich nehme an, immer noch besser als St. Claires frühere Methoden. Uns das Blut abzulassen, bis wir zu schwach waren, gegen ihn zu kämpfen, damit er seine sadistischen kleinen Experimente mit uns durchführen konnte.“
Plötzlich sah Curtis auf, rieb sich aber weiter das Handgelenk, wo sie ihn gerade festgehalten hatte. „Sie sind diejenige, nicht?“
„Welche meinen Sie denn, Darling? Ganz sicher keine der beiden Jungen, die er in seiner Gewalt hatte. Denen er ein wenig zu viel Blut abgezapft hat? Die er ermordet hat? Nein, von denen bin ich keine. Ganz und gar nicht, wie Sie sehen können.“
„Sie sind …
Weitere Kostenlose Bücher