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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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einem einzigen großen Raum voller Krimskrams und Snacks. Eine Glocke über der Tür läutete fröhlich, als ich unter dem altmodischen, weiß-rot gestreiften Baldachin eintrat.
    „Hallo“, sagte eine freundliche Männerstimme, ich sah erstaunt auf. Aber es war nur der Mann hinter dem Tresen, dessen Augen freundlich dreinblickten. Sein Kopf glänzte rosa, ohne ein einziges Haar, und er trug eine rechteckige Brille tief auf der Nase. „Kann ich Ihnen helfen?“
    „Haben Sie Ansichtskarten?“, fragte ich und versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Im Laden roch es nach frischem Kaffee und Pfefferminzplätzchen.
    „Na klar.“ Er kam um den Tresen und führte mich zu einem Drehständer voller Post- und Ansichtskarten. „Suchen Sie was Bestimmtes?“
    „Das weiß ich, wenn ich es sehe“, presste ich hervor. Und blätterte die Postkarten durch, als wäre ich auf der Suche nach der richtigen.
    „Sie sind also Touristin. Sie kommen mir auch nicht bekannt vor.“
    „Nur auf der Durchreise.“ Ich nahm eine Karte, die Bäume, Berge und blauen Himmel zeigte. „Anscheinend habe ich mir einen schlechten Tag für meinen Besuch ausgesucht. Wegen der Straßensperren und Männer, die die Stadt absuchen. Ist jemand aus dem Gefängnis ausgebrochen oder so?“
    Der Mann schüttelte den Kopf und gluckste wie eine Henne, als ich ihm die Karte gab und er zur Registrierkasse ging. „Eine Schande ist das. Ich weiß nicht, was aus der Welt noch werden soll.“ Er drückte Tasten, die Kasse klingelte. Die Schublade ging auf. Ich gab ihm einen Dollarschein.
    „Was ist denn passiert?“, hakte ich nach.
    Er schüttelte wieder den Kopf. „Entführung“, sagte er. „Ein junges Paar war auf dem Weg nach Norden und hatte einen Platten. Sie stiegen aus, wechselten den Reifen, und als sie wieder einsteigen wollten, war ihre kleine Tochter verschwunden. Jemand hat sie einfach aus dem Auto geholt.“
    Mir blieb die Luft weg. Mein Gott, konnte es stimmen, was der Wachtposten gesagt hatte? Das DPI hatte mir mein Baby gestohlen, und dann war es ihnen gestohlen worden … aber von wem?
    „Ich weiß“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Eine schreckliche Sache. Unglaublich, dass das ausgerechnet hier in Petersville passieren musste. So was ist hier noch nie vorgekommen. Die verdammten Perverslinge gehören erschossen.“
    Ich atmete tief durch und versuchte zu sprechen. „Was unternehmen sie denn, um das Baby zu finden?“
    „Also, die haben südlich der Stadt eine Straßensperre errichtet. Überprüfen jedes Fahrzeug, das da durchkommt. Suchtrupps durchkämmen den Wald, und Agenten gehen von Tür zu Tür und stellen Fragen. Ich persönlich glaub ja nicht, dass das was nützt. Wenn so einer ein Kind in die Finger kriegt … also, dann finden sie es selten. Jedenfalls lebend.“
    Ich stützte mich am Tresen ab, damit meine Knie nicht einknickten. „Lebend?“
    „Die Typen haben’s normalerweise auf etwas ältere Kinder abgesehen. Kann mir gar nicht vorstellen, was einer mit so einem kleinen Wurm will. Kranke Dreckskerle.“ Er holte das Wechselgeld heraus und machte die Schublade zu. „Hier, Miss.“
    Ich streckte die Hand aus und nahm die kalten Münzen. „Danke“, murmelte ich und wollte gehen.
    „Vergessen Sie Ihre Postkarte nicht“, rief er, und ich drehte mich wieder um. Die Karte lag noch auf dem Tresen. Ich hob sie auf, wusste aber, dass meine Hände heftig zitterten. „Schöne Reise noch“, rief er mir nach, als ich das Geschäft verließ. Ich nickte nur und ging hinaus.

Keith
    14. KAPITEL
    Sie war erschüttert. Mehr als erschüttert, als sie den Laden verließ. Sie trat unter dem gestreiften Baldachin hervor auf den rissigen Bürgersteig, blieb einen Moment reglos stehen und machte die Augen zu. Dann erschauerte sie sichtlich, drehte sich um und rannte los.
    Das verblüffte Jameson so sehr, dass er im ersten Moment gar nicht reagieren konnte. Er stand nur benommen da und sah ihr nach, sah den Schal unbemerkt von ihren Schultern fallen, als sie sich duckte und um die Ecke eines Gebäudes verschwand.
    Er rüttelte sich auf, folgte ihr und dachte nicht mehr daran, unsichtbar zu bleiben. Er verweilte kurz bei dem Stück Stoff, hob es auf und spürte die weiche Wolle in den Händen. Verdammt. Da stimmte etwas nicht. Was immer sie in dem Laden erfahren hatte, setzte ihr ziemlich zu.
    Einen Moment fragte er sich, warum ihm keine offensichtlichere Erklärung für ihre Flucht in den Sinn kam. Müsste er
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