Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
Vom Netzwerk:
nicht davon ausgehen, dass sie nicht wegen etwas lief, das sie in dem Geschäft gehört hatte, sondern seinetwegen? Musste er nicht davon ausgehen, dass sie ihr Versprechen wahr machte und floh, wie sie angedroht hatte, um das Kind zu finden und es so weit es ging vor einem Monster wie ihm zu verbergen?
    Er war verwirrt, aber nicht wütend. Würde er noch immer glauben, was er anfangs über Angelica gedacht hatte, hätte er wütend werden müssen.
    Aber er wurde nicht wütend. Nur besorgt. Und aus einem unerklärlichen Grund wusste er, dass sie nicht vor ihm weggelaufen war. Warum?
    Weil sie ihr eigenes Leben riskiert hatte, um das seiner besten Freunde zu retten. Um sein Leben zu retten. Weil ihm die Zuneigung in ihren Augen nicht entgangen war, als sie Tamara umarmte, und auch nicht bei dem Geplänkel mit Rhiannon. Weil er miterleben durfte, wie sie langsam ihre neuen Kräfte erforschte und ausprobierte. Als sie an seiner Seite lief wie eine neckische Waldnymphe. Sprang, um zu sehen, wie hoch sie springen konnte. Die Schönheit der Nacht kennenlernte. Über ihre übersinnlichen Fähigkeiten staunte. Es mit vier bewaffneten Männern aufnahm wie eine Löwin, die ihr Junges beschützt und einen fast zu Tode ängstigte, als sie ihn nach ihrem Kind befragte.
    Angelica besaß keine der negativen Eigenschaften, die er ihr angedichtet hatte. Am wenigsten Egoismus. Und sie würde ihm das Kind nicht vorenthalten. Nicht wenn sie wusste, wie viel ihm das Baby bedeutete. Und das wusste sie. Sie musste es einfach wissen. Zwischen ihnen beiden bestand eine Verbindung. Sie spürte, was er spürte. Und er spürte …
    Er schloss die Augen und suchte sie mit seinen geistigen Antennen. Verzweiflung! Tränen! Schmerzvoll intensives Schluchzen. Und Angst, eine krank machende, alles beherrschende Angst. Das waren ihre momentanen Empfindungen, und sie kamen klar und deutlich von ihr. Von Angelica.
    Jameson ging zur Ecke des Gebäudes und sah die breite Straße entlang, die kurvenreich auf einen Hügel führte und im Wald verschwand. Da war sie hingegangen. Und er würde sie finden.
    Sie mochte ihn immer noch verabscheuen. Verdammt, ein Teil von ihm konnte ihr das nicht einmal zum Vorwurf machen. Seit der Nacht, als er sie aus der Zelle befreite, hatte er sie wie eine Närrin behandelt. Hatte sie als Gefangene angesehen, sie bedroht und den körperlichen Begierden nachgegeben, die sie, wie er genau wusste, nicht beherrschen konnte – weil er sie, verdammt noch mal, auch nicht beherrschen konnte.
    Ja, vermutlich hatte sie mehr Grund denn je, ihn als ein Monster anzusehen und zu hassen. Aber ganz allmählich wurde ihm klar, dass er sie nicht hasste.
    Er hatte sie nie gehasst. Nicht einmal in jener längst vergangenen Nacht, als sie ihm fast das Leben nahm.
    Jameson drehte sich um, folgte der Richtung, die sie eingeschlagen hatte, und suchte mit seinen geistigen Fühlern nach ihr. Es dauerte nicht lang, bis er sie gefunden hatte.
    Unmittelbar am Waldrand lag sie mit dem Gesicht auf dem moosigen Boden, wo ihr ganzer Körper von Schluchzen geschüttelt wurde. Er blieb einen Moment stehen und war betroffen über den Schmerz, den er empfand, sie so zu sehen. Warum krampfte sich sein Magen zusammen, wenn er sie so weinen sah? Warum war sein Hals wie zugeschnürt? Warum brannten seine Augen?
    „Angel“, flüsterte er.
    Sie holte tief Luft, stützte sich auf die Hände, hob den Kopf und sah ihn an. Ihr Gesicht war tränennass, die Augen gerötet und ausdruckslos. Eine Kraft zwang ihn, zu ihr zu gehen; er ließ sich vor ihr auf die Knie sinken, schob ihr die Hände unter die Arme und zog sie fest an die Brust. „Angel“, flüsterte er wieder, obwohl es eine Qual war zu sprechen. „Nicht weinen. Bitte, es bringt mich um, wenn ich dich weinen sehe.“ Seine Finger strichen über ihr Haar, als hätten sie einen eigenen Willen; er hielt ihr den Hinterkopf. Sie presste das feuchte Gesicht an seinen Nacken, wo die Haut die Tränen aufsog. Sie schlang die Arme um seine Taille.
    „Es s-stimmt“, schluchzte sie. „Jemand hat sie entführt, Jameson. Die wissen nicht, wer unser Baby hat. Die wissen nicht, wo sie ist. Was, wenn …“
    „Pssst.“ Er strich ihr über das Haar, die Schultern, den Rücken, damit die Krämpfe aufhören sollten, die ihren zierlichen Körper schüttelten. „Sie ist nicht bei denen, Angel. Sie ist nicht beim DPI. Die können ihr nichts tun.“
    „Aber was für ein Mensch würde sie entführen? Wenn es nun ein

Weitere Kostenlose Bücher