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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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voller Kerzen dunkel und abweisend da, wie ein Gespenst aus früheren Tagen. Von Spinnweben verunziert, verfolgte er unter seiner dicken Staubschicht stumm, wie Roland seine ewige Todesstrafe in den Räumlichkeiten unter ihm verbüßte.
    Rhiannon würde diese Gemächer hassen.
    Aber was scherte es ihn, wie Rhiannon über irgendetwas dachte?
    Sie ist hier.
    Diese Erkenntnis überkam ihn plötzlich ohne jeden Zweifel. Sie befand sich auf dem Gelände. Er spürte die leuchtenden Farben ihrer Aura und spürte die irren Schwingungen in der Atmosphäre, die knisternde Elektrizität, die stets ihr Erscheinen ankündigte. Unwillkürlich sputete sich Roland mit seiner Morgentoilette und dem Ankleiden. Nicht weil er darauf brannte, sie wiederzusehen, redete er sich ein. Ganz und gar nicht. Er wollte nur in ihrer Nähe sein, damit er sie im Zaum halten konnte. Gott allein wusste, was sie anstellen würde, wenn man sie ganz sich selbst überließ.
    Er folgte ihrer Aura, schritt lautlos und hastig durch die hallenden Flure und kam schließlich in den großen Saal. Immer noch nichts von ihr zu sehen. Jetzt spürte er freilich auch Jameys Gegenwart, ebenso die Fredericks … und die der Katze. Nicht im Schloss, sondern draußen, im Burghof.
    Jenseits der schweren Brettertür sah er sie in der Dunkelheit. Es gelang ihr immer wieder, ihn zu überraschen. Warum hatte er sich mittlerweile nicht daran gewöhnt?
    Sie lief über die nackte braune Erde, und silbernes Mondlicht schien auf ihren Weg, während sie einen Ball mit Punkten darauf zwischen den Füßen bewegte. Sie trug schwarze Jeans, die etwa in der Mitte der wohlgeformten Oberschenkel abgeschnitten worden waren. Kurze weiße Socken bedeckten kaum ihre Knöchel; an den Füßen trug sie schwarze Schnürschuhe mit knallroten Senkeln und gefährlich aussehenden Spikes an den Sohlen.
    Roland verfolgte gebannt, wie Jamey auf Rhiannon zurannte, einen Fuß zwischen ihren beiden platzierte und sich den Ball schnappte. Rhiannon stolperte und fiel mit einem Purzelbaum zu Boden, rollte sich ab und blieb inmitten einer braunen Staubwolke liegen. Roland setzte zum Sprung an, hielt sich jedoch zurück, als er ihr tiefes Lachen hörte. Sie stand auf und klopfte sich den Staub von der Kehrseite.
    „Sehr gut, Jamey.“ Wieder lachte sie. Sie strich sich das ebenholzfarbene Haar aus dem Gesicht und hinterließ einen Staubfleck auf der Wange. „Zeig es mir noch mal. Ich will es lernen.“
    Roland räusperte sich, worauf Rhiannon sich umdrehte und ihn sah. „Sieh mich nicht so an, Liebster“, gurrte sie. „Ich tu ihm schon nicht weh.“
    Im gleichen Moment gestand Roland sich ein, dass er beunruhigt war, weil sie sich wehtun könnte. Unvorstellbar! Er machte sich Sorgen, dass die mächtigste Unsterbliche, die er kannte, sich beim Fußballspiel mit einem kleinen Jungen verletzen könnte. Verdammt merkwürdig. Sicher, Unsterbliche verspürten Schmerzen wesentlich stärker als Sterbliche, und Rhiannon war sicher besonders empfindlich. Aber alle Wunden, die sich Rhiannon zuziehen konnte, würden heilen, während sie tagsüber ruhte. Dennoch erstaunte ihn, wie sehr ihn der Gedanke erschütterte, dass sie Schmerzen leiden könnte.
    „Sorg dafür, dass es so bleibt“, sagte er zu ihr, da er seine wahren Gedanken nicht preisgeben wollte. „Er hat morgen Abend sein Spiel.“
    „Soll das heißen, du hast es aufgegeben, dich dagegen zu sträuben?“
    Er nickte, aber widerwillig. Rhiannon kam unerschrocken zu ihm gestapft und schlang ihm die Arme um den Hals. Als Resultat wurden sein gestärktes weißes Hemd und das maßgeschneiderte Jackett so schmutzig, wie sie es war. Und doch ertrug er es recht gelassen, obwohl sein Puls raste und seine Augen tränten, als sie den Körper so fest an seinen presste.
    „Es gibt Bedingungen, Rhiannon.“
    Sie blickte zu ihm auf, denn er war ein Stück größer als sie, auch wenn sie für eine Frau schon recht groß war. „Bedingungen?“ Sie legte die Stirn in Falten, um ihr Missfallen auszudrücken.
    Er räusperte sich. Sie würde zornig werden. Offenbar machte sie alles zornig, was er sagte. Trotzdem musste er aussprechen, was ihm auf der Seele lag. Düstere Vorahnungen überschatteten diesen Ausflug, und er wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich in Gefahr begeben würde … wieder einmal. „Bei diesem Spiel wirst du so wenig Aufsehen erregen wie möglich.“
    „Ach, wirklich?“
    „Du wirst einmal in deinem Leben versuchen, keine unerwünschte

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