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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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einem dunklen Schrank im ersten Stock. In dem engen Raum legten sie sich immer noch nackt und in inniger Umarmung hin.
    Rhiannon schlief bereits. Sie hatte den Kopf auf Rolands Schulter liegen, ihr seidiges Haar bedeckte seine Brust wie eine Decke. Er hielt sie dicht an sich und lauschte ihrem Atem.
    Er hatte die Beherrschung nicht verloren. Er war nicht zu einer rasenden Bestie geworden, nicht einmal einen Augenblick. Stattdessen wurde er eins mit ihr und verspürte eine Lust dabei, wie er sie vorher noch nie bei einer Vereinigung empfunden hatte.
    Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für ihn, dachte er und stellte sich endlich dem Gedanken, der seit dem ersten Kuss an ihm nagte. Er war nicht mehr sicher, ob er die Kraft aufbringen würde, sie gehen zu lassen.
    Sie gehen lassen? Er schüttelte unmerklich den Kopf. Er verspürte keine Gewissheit, dass er sie überreden konnte, nicht zu gehen. Bisher war sie stets so unvorhersehbar wie ein Wirbelsturm in seinem Leben aufgetaucht und wieder verschwunden.
    Aber das war vorher gewesen, dachte er in gequälter Stille.
    Wovor? Was haben wir miteinander geteilt, jenseits der Vollendung einer langjährigen beiderseitigen Lust? Das hitzige Kopulieren zweier williger Körper?
    Nein. Gewiss gab es da noch mehr. Nicht Liebe, denn er wusste, dass er zu so einer zarten Gefühlsregung gar nicht fähig war. Er hatte schon einmal geglaubt, er wäre verliebt.
    Die Erinnerung an dieses andere Mal bohrte sich wie ein Dolch in sein Gedächtnis. Rebecca, so jung und unschuldig. Eine Zeit lang hatte er wirklich gedacht, er würde sie lieben. Aber sein Bedürfnis, sie zu beherrschen, hatte sie in den Selbstmord getrieben. Für sie war seine Liebe oder das, was er für Liebe gehalten hatte, Gift gewesen.
    Würde es bei Rhiannon ebenso sein? Suchte er nicht jetzt schon insgeheim nach einer Möglichkeit, wie er sie ändern, sie in eine willensschwache Kreatur verwandeln konnte, die sich damit begnügte, das zurückgezogene Leben zu führen, das er bevorzugte? Würde er ihren Lebenswillen mit der Zeit auch töten, wie den von Rebecca?
    Er betrachtete ihre schlafende Gestalt, so friedlich in seinen Armen. Nein, das konnte er ihr nicht antun. Es wäre ein schlimmeres Verbrechen als Mord, sollte er versuchen, aus Rhiannon einen anderen Menschen zu machen. Vielleicht konnte er es doch über sich bringen und sie gehen lassen. Vielleicht konnte er seine Gedanken vor ihr verbergen, bis sie frei war.
    Wenigstens die Freiheit schuldete er ihr. Schließlich war das das einzige Geschenk, das er ihr machen konnte.
    Kurz nach Einbruch der Dämmerung begannen sie den Aufstieg auf den Mont Noir, zu der malerischen Hütte, in deren Mauern sich etwas unaussprechlich Böses verbarg. Lucien. Rhiannon fragte sich, wer er war. Warum hatte er von allen Untoten, die in der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts durch die Nacht gingen, ausgerechnet sie ausgewählt? Es gab so viele von ihnen, sogar einige wenige, die älter waren als sie. Der berüchtigte Damien zum Beispiel. Warum hatte Lucien nicht ihn auserkoren, damit er ihm den dunklen Segen gab?
    Bei dieser Vorstellung hätte sie fast laut aufgelacht. Selbst unter Vampiren flüsterte man den Namen des Ältesten nur hinter vorgehaltener Hand. Lucien würde gewiss nicht wagen, mit so einer Kreatur seine Spielchen zu spielen.
    Sie stolperte über einen Stein, Roland hielt sie mit den Armen. Sie lehnte sich dankbar in diese Umarmung. Bald würde sie ihn verlassen. Zu bald. Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken. Niemals wäre noch zu bald.
    „Etwas beschäftigt dich.“
    Sie sah ihn seufzend an. Ihre Gedanken vor Roland zu verbergen hatte sie zunehmend satt. Und es war anstrengend, da er ihren Geist ständig mit Fragen zu bombardieren schien. Dabei war er immer derjenige gewesen, bei dem sie sich am besten entspannen konnte. Ihm hatte sie stets freien Zugang zu ihren Gedanken gewährt.
    Traurig, wie sich alles verändern musste.
    „Ich dachte an Tamara“, log sie voller Schuldgefühle. „Hoffentlich findet sie den Jungen.“
    Roland nickte und hielt sie weiterhin fest, während sie um ein Bett loser Steine herummanövrierten. „Es würde helfen, wenn Jameson versuchen würde, sie zu erreichen.“
    „Glaubst du, das macht er?“
    Rolands Lippen wurden dünn, während er den Kopf schüttelte. „Nicht wenn er glaubt, dass er sie dadurch in Gefahr bringt. Ich vermute, er hat von uns gelernt, wie man seine Gedanken abschirmt. Andernfalls hätten wir ihn schon

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