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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Halle, in der Drehtür. Solange sie sich nicht wehrt, muß er nicht hinhören, was sie sagt. Und sie wehrt sich kaum.
    »Taxi!«
    Von innen öffnet der Fahrer die rechte hintere Tür. Mit dem Rücken voraus steigt Lukas ein, zieht Andrea nach.
    »Ins Krankenhaus!«
    »Du spinnst.«
    »Die Dame ist krank«, sagt er in das verkleinerte Augenpaar im Rückspiegel, »fahren Sie!«
    Andrea liegt an seiner Schulter.
    »Ich hab nichts genommen. Ehrlich.«
    »Sei jetzt bitte ganz ruhig, mein Liebes.«
    Als empfehle er ein Drei-Sterne-Restaurant, macht ihm der Fahrer eine Superklinik schmackhaft, mit erstklassigem Unfallservice. Das verkleinerte Augenpaar im Rückspiegel verrät seine Gedanken: Alter Lüstling bringt weinendes Mädchen ins Krankenhaus, Abtreibungsversuch oder so was. Sind schon Schweine, die Kerle. Aber rentable Fuhren, mittlerer Schein, ohne daß sie Rausgeld verlangen. Vollends mies wird Lukas’ Rolle im Krankenhaus. Hier ist Andrea nicht mehr ruhig, widerspricht, wehrt sich, will weg, daß er wieder zweifelt, Doch jetzt ist es zu spät. Sie werden erfaßt, beide, peinlich genau. Blicke geben stummen Kommentar. Vorurteil, durch Erfahrung gefestigt: Das sich wehrende Mädchen; der Altersunterschied; sein Nein zu der Frage, ob er mit ihr verwandt sei; das Hotel als Adresse. Den Freund der Familie legt man ihm als Dreistigkeit aus. Weiße Mäntel haben Andrea umzingelt. Sie sagt jetzt nichts mehr. Lukas kann sagen, was er will, er bekommt keine Antwort. Andrea wird beschlagnahmt und weggeschafft.
    »Sie bekommen Bescheid«, sagt die Schwester. Er schaut den weißen Mänteln nach, die ihn sitzen lassen, den alten, geilen Bock. Er wußte ja, daß es Komplikationen geben würde. Trotzdem fühlt er sich erleichtert. Kein Schritt ist zu hören auf dem Kunststoff des straßenbreiten Korridors, wo kranke Luft steht und Zimmerpflanzen nur spärliches Grün entwickeln, wo blasse Personen in Bademänteln mit rosigen Personen in Straßenmänteln kleine Schritte machen, Blumen in der Hand, denen die Luft ihre Farbe noch nicht ausgetrieben hat. Was machen sie jetzt mit ihr?
    In einer Glasscheibe sieht er sich wandeln und warten, lockert die Schultern, glättet die Stirn, sucht seinen Kamm und merkt, daß er keine Krawatte anhat.
    Aus einer Tür mit kunstgewerblichen Ornamenten kommen Schwestern, die Hände gebetsgekoppelt; drinnen schimmert es modernistisch-mystisch, biblische Motive stilisiert in Buntmetall, karg alles, nur das rauchige Parfüm verrat die Konfession. Hinter dem spärlichen Grün, im Nickelglanz der Ambulanz, wartet neue Kundschaft, reelle, saubere Falle mit verbundenen Händen, Köpfen, Füßen, ausstrahlungslos wie auf einer Behörde. Die Schwester verteilt Fragebogen. noch fünfmal nimmt Lukas die Hauskapelle als Wendemarke, dann wird er gerufen.
    »Hallo, Sie!«
    Die Schwester überläßt ihn einem Jungmediziner mit unsterilem Vollbart. Im Magen, sagt der, sei nichts gewesen, nervöse Erschöpfung allerdings wahrscheinlich. Sie habe eine Spritze bekommen und schlafe. Bis morgen werde man sie dabehalten. Zur Beobachtung und damit der Chef sie sieht. So sauber trennt der Apparat Klasse von Kasse.
    Grußlos läßt ihn der Vollbart stehen.
    Also nichts. Gott sei Dank! Und was jetzt? Die Eltern verständigen? Erst mal verschnaufen.
    Ein Taxi fährt vor, jemand steigt vorne aus. Das trifft sich günstig, er steigt hinten ein, nennt sein Hotel. Hinter dem Lenkrad sitzt eine Frau; das verkleinerte Augenpaar im Rückspiegel schaut freundlich.
    »Haben Sie einen Krankenbesuch gemacht?«
    Sein Ja muß geklungen haben, als ob er einen Sterbenden besucht hätte, denn sie seufzt mit ihm:
    »Wenn man das Leid da drin sieht, ist man mit seinem Los zufrieden.«
    Sie will reden, und er will nicht reden. Eine fast glückliche Müdigkeit durchströmt ihn. Wenn Andrea keine Tabletten geschluckt hat, warum hat sie sich so sonderbar benommen? So benommen?
    Nein, das gibt es nicht! Aber was denn sonst? Ich Idiot!
    Draußen vor dem Fenster zieht die Stadt vorbei; eine Leichtigkeit erfaßt ihn. Das verkleinerte Augenpaar im Rückspiegel schaut bereit. ,
    »Ich werde oft gefragt, wie das ist, als Taxichauffeuse.«
    »Und wie ist es?«
    Für einen Augenblick nimmt die Frau beide Hände vom Lenkrad. »Kommt drauf an, was Sie meinen. Wenn Sie das meinen, was die meisten meinen, dann kann ich nur sagen: beschissen!«
    Was soll er da sagen? Er nickt nachdenklich und sieht, daß der Lack an ihren Fingernägeln abgesprungen ist, weil

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