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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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vernichten, weil ich sah, daß selbst unsinnigster Glaube glücklicher macht als fundiertester Zweifel.«
    Das mag alles gut und richtig sein, aber Andrea hat seinen Gürtel geöffnet und beunruhigt die Umgebung. Der Jüngere hat den Hörer übernommen, will sich verbreiten und wundert sich, daß Lukas das Gespräch auf einmal beendet, gerade jetzt, wo er so schön in Fahrt ist.
    »Andrea, was soll das?«
    »Ich mach’s dir bequem. Du sollst dich ausruhen, wo du vielleicht bald wieder weg mußt.«
    »Wer sagt denn das?«
    »Du. Es kann ein Anruf kommen, und dann mußt du ganz schnell weg. Hast du gesagt.«
    Sie tut ihm so leid, daß er sie streicheln muß. Warum sagt er ihr nicht die Wahrheit? Weil er feige ist, ein Schwein. Und zu alt. Ein altes Schwein.
    »Mußt du denn nicht nach Hause gehen und dich umziehen?« fragt er.
    Sie greift nach der Frühstückshörnchenlehne.
    »Alles schon da. Schau!«
    Ein buntes Fähnchen vor sich haltend, kommt sie auf ihn zu, da klingelt das Telefon. Sie läßt die Arme sinken und sieht ihn ängstlich an, wie er den Hörer abnimmt.
    »Ja, bitte?«
    »So, Lukas. Ich bin’s wieder, Grete. Jetzt hast du dein Männchen sicher fertig und freust dich auf ein gutes Essen, gell? Renate kommt erst später, aber wir sollen schon anfangen. Der Sauerbraten ist fertig.«
    Mutter Zierholt! Sie hat seine Absage einfach ignoriert. In der Beziehung ist sie wie Lilly.
    Sauerbraten? ,
    Von Andrea beobachtet erklärt er ihr, wie leid es ihm tue, aber er steckte noch mitten in der Arbeit, wirklich, zu dumm, ein andermal...
    »Wer war denn das?« fragt sie, als er aufgelegt hat. »Eine ehemalige Wirtin von mir.«
    »Wieso bist du mit ihr per Du?«
    »Das frag ich mich auch.«
    »Du muß also nicht weg?«
    Sein Nein ist noch nicht über die Lippen gekommen, da hat sie ihn schon umarmt, daß ihm nicht nur die Luft, sondern auch jeder Vorsatz knapp wird.
    Nur keine Komplikationen!
    Auf der nackten Haut verwandelt sich die Abwehr seiner Hände in Zugriff, und nur dem Umstand, daß ihm plötzlich ihre Schwierigkeiten einfallen, hat er es zu verdanken, daß die Vernunft noch einmal siegt.
    »Mußt du wieder telefonieren?«
    »Was anderes.«
    Er schließt den Gürtel und geht ins Bad. Sein Spiegelbild, zerzaust, mit offenem Hemd, erinnert ihn an Illustrationen aus früheren Kriegen, an Heimwehr, letztes Aufgebot, an Männer, nicht mehr die jüngsten, denen ins Gesicht geschrieben steht, daß sie dem Ansturm nicht standhalten werden. Bemüht, den Atem zu beruhigen, zieht er das Hemd aus, kühlt Handgelenke und Stirn, tritt ans nächste Becken.
    »Hab ich was falsch gemacht?« fragt sie von nebenan.
    »Nein«, ruft er hinüber und betätigt die Geräuschkulisse.
    Zehn Jahre jünger und er würde nicht hier stehen. Ein unmutiges Alter! An sich könnte er doch, hätte sein Vergnügen und würde nichts riskieren. Selbst wenn sie danach sagte, so toll sei das auch nicht mit dem reifen Mann. Morgen fährt er weg.
    »Warum sagst du nichts?« fragt sie, nachdem das Wassergeräusch aufgehört hat.
    »Vielleicht hab ich was falsch gemacht.«
    »Dann mach es richtig!«
    Die Heimwehr ist wieder auf ihrem Posten; Lukas kämmt sich noch einmal und findet das sehr albern.
    »Komm endlich!« ruft sie von nebenan. »Ich liebe dich.«
    Er sagt nichts. Keine Komplikationen!
    »Und du mich auch. Gib’s zu!«
    Jetzt hat er Text.
    »Kind, sei vernünftig, ich bin zu alt für dich, viel zu alt, vor zehn Jahren...«
    »Wenn ich das schon höre. Gib zu, daß du mich liebst!«
    Jetzt hat er wieder keinen Text; sie wiederholt den ihren:
    »Sag bitte, daß du mich liebst!«
    »Was hast du davon?« fragt er in den Spiegel.
    »Ich will es einmal hören. Das hat noch niemand zu mir gesagt.«
    »Und ich soll es sagen?« Eine saudumme Frage, findet er.
    »Ja, ja, du!« schreit sie (nicht unangenehm). »Weil ich weiß, daß du mich liebst!« Ihre Stimme kippt über. »Sag’s oder ich schluck Tabletten!«
    »Das ist Erpressung.«
    »Das ist mir egal! Ich hab immer welche dabei.«
    »Sei nicht kindisch, Andrea.«
    Warum steht er noch im Bad? Warum geht er nicht hinüber zu ihr, nimmt sie in den Arm oder versohlt ihr den Hintern? Erst einmal wäscht er sich die Hände.
    Als er ins Zimmer zurückkommt, dreht sie sich weg. Hinter ihr auf dem Nachttisch sieht er ihre Umhängetasche stehen. Stand die vorhin schon da?
    Er setzt sich auf den Bettrand, holt sich ihre Hand.
    »Hör mir mal gut zu, Andrea.« Der väterliche Ton scheint ihm gut

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