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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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und einem Alexander. Ein Mädchen von etwa zehn Jahren und ein kleinerer Bub kamen, mußten Knicks und Diener machen und Onkel Dornberg die Hand geben, weil der nämlich ein ganz alter Freund der Familie sei.
    Das wären deine!
    Lukas drückte die ungriffigen Hände; der Opa sah ihn an und seufzte:
    »Ja, die Zeit vergeht. Aber jetzt wollen wir rauf und gemütlich Kaffee trinken. Grete trifft der Schlag!«
    Als sei beides vereinbar, schritt er voran, der gepflegte, weißhaarige >Herr Ingenieur< wie er sich selbst immer genannt hatte, und die Kinder schauten den Onkel an, lauernd, wie kleine Tiere, als wunderten sie sich, daß von dem alten Freund nie die Rede gewesen war.
    Onkel Lukas ordnete Eindrücke: Marmortreppe, Messinggeländer, lichtes Treppenhaus, nicht mehr die Ziehbrunnendunkelheit.
    »Hat uns Renate gebaut, Herr Dornberg! Ach, es gibt ja so viel zu erzählen. Kommen Sie!«
    »Aber vielleicht ist es Renate gar nicht...«
    »Nicht doch! Wir freuen uns alle. Und Sie müssen das Haus sehen!« Wann würde er sich erinnern, daß sie sich in Unfrieden getrennt hatten? Und wie würde seine Frau reagieren, die ihn hinausgeworfen hatte? Das ganze Zierholtnest war ihm wieder gegenwärtig. Ob es den Schieber an der Tür noch gab? Links — anwesend, rechts — abwesend.
    Die Wohnung lag im zweiten Stock. Von der Anlage und dem Material her hielt sie nicht ganz, was das Treppenhaus versprochen hatte, war aber groß und hell. Keine Schiefertafel an der Tür. Zierholt schickte die Kinder auf ihr Zimmer. Offenbar wohnte Renate samt Familie bei den Eltern.
    »Grete, Grete! Schau mal, wen ich dir mitgebracht habe!« Von irgendwoher kam die zu erwartende Ehefrauenantwort, die jede Gattenfreude mit Haushaltskleinkram sofort erstickt. Sie sind ein Schicksal, diese Frauen, die immer Wäsche, nasse Hände oder sonst etwas haben, wenn der Mann heimkommt. Lukas hängte seinen Mantel an ein kunstgewerbliches Gebilde, das auf den ersten Blick nicht nach Kleiderablage aussah.
    »Kommen Sie herein, Herr Dornberg. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.«
    Ein schriller Laut hallte durch die Wohnung.
    »Hast du Dornberg gesagt, Karl-Heinz?« fragte die Hausfrau von dort, wo ihre Hände unabkömmlich wären.
    »Ja, da staunst du«, rief Zierholt hinaus. Die Kinder standen noch in der Diele und schauten den fremden Mann an, der sich interessiert umsah.
    Alles neu. Aufwendig. Von damals war nur das Büfett noch da mit den Pokalen und Wimpeln Zierholtschen Jugendfleißes, aber es war nicht mehr dunkel und poliert, sondern leuchtend gelb. »Hat uns Renate streichen lassen! Das gibt dem Ganzen Pfiff. Man muß doch mit der Zeit gehen.«
    Er öffnete eine der gelben Türen, holte eine Flasche und zwei Gläser heraus. Renate schien hier alles in der Hand zu haben, das tüchtige Kind. Immer noch schauten die Kinder herein. »Ihr sollt auf eurem Zimmer bleiben, hab ich gesagt! Wofür habt ihr ein so großes und schönes Kinderzimmer?«
    Der Opa reichte Lukas ein Schwenkglas und zeigte ihm das Etikett der Flasche.
    »Man soll sich auch was leisten, wenn man sich was gönnt! Ja, Herr Dornberg, dann erst mal herzlich willkommen.«
    »Karl-Heinz, warte doch, bis ich fertig bin! ich möchte auch mit Herrn Dornberg anstoßen, gell?«
    Die Arme mit den Schwenkern hielten in der Bewegung inne, wo der Zwischenruf mit dem anheimelnden Gell sie gestoppt hatte.
    »Aber Grete, du darfst doch gar nicht. Das ist der Armagnac, der französische Kognak!« Und leise erklärte Zierholt seinem Gast, daß Grete etwas mit der Bauchspeicheldrüse gehabt habe, im letzten Jahr. Seitdem müsse sie vorsichtig sein.
    »Prösterchen!«
    Das Klingen der Gläser löste draußen einen Laut des Bedauerns aus, wirkte aber auch beschleunigend, denn jetzt litt es Mutter Zierholt nicht länger : Sie kam, wie sie war.
    »Entschuldigen Sie, Herr Dornberg, ich hab gerade Messing geputzt, und bis man die Gummihandschuhe runter hat, gell? Meine Haare dürfen Sie überhaupt nicht anschauen, ich komme erst morgen zum Friseur. Wer konnte das denn ahnen...«
    Lukas drückte eine rosige, nicht ganz trockene Hand und sah die unverändert pralle, mütterliche Frau, wie er sie in Erinnerung hatte, nur mit einem leichten Grauton darüber, als schaue er durch wärmedämmendes Glas. auch sie betrachtete ihn genau, sehr genau, aber wohlwollend, fast liebevoll. Die letzte Begegnung war gut verdrängt.
    »Sie sind gar nicht älter geworden, Herr Dornberg. Ein bißchen grau, aber noch so schlank!«

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