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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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rasch, »dann wären sie ja graviert.«
    liebevoll, Stück für Stück, legte Kathi das Besteck auf den Tisch. »Wir hatten keine gravierten. Ich kenn doch mein altes Arbeitszeug. Das da zum Beispiel!« Sie hob ein vom vielen Schleifen schmal gewordenes Messer hoch. »Wie oft hab ich das geschliffen. Bis es dann weg war, eines Tages. Ab und zu ist was verschwunden bei uns.«
    »In dem soliden Lokal?« ereiferte sich Lukas todernst.
    »Es war natürlich nicht so, daß unsere Gäste gestohlen hätten«, antwortete Kathi und wischte die Stücke ab, wie sie sie jahrelang abgewischt hatte. »Wenn einer was eingesteckt hat, dann aus Versehen.«
    »Und wie haben Sie das gemerkt?«
    »Ja, erstens hat man einen Blick für die Kundschaft, und zweitens ist das ganz einfach: Wenn zehn Personen an einem Tisch sitzen, davon essen acht, und beim Abräumen hab ich nur sieben Messer — da muß ich’s ja merken.«
    »Siehst du! Es wird viel mehr aufgepaßt, als man annimmt.«
    Der ältere Wolfgang wandte sich wieder an Kathi.
    »Und warum sagen Sie’s dann nicht gleich? Herr Sowieso, ich glaube, Sie haben aus Versehen...«
    Für so viel Unverstand hatte Kathi einen besonders milden Blick. »Wie stellen Sie sich das denn vor? Damit vergrault man ja die Gäste, So kann man das nicht machen. Man merkt sich den Herrn und gleicht es dann mit der Rechnung aus.«
    Früher hatte Lukas auch kürzeste Strecken mit dem Wagen zurückgelegt, jetzt lief er durch die Stadt, wie ein Tourist. Wenn die Lust zu Spaziergängen sich breit macht, ist die verlängerte Jugendzeit zu Ende, stellte er ohne Bedauern fest. Von einer Plakatwand lächelte Daniela. Und doch nicht Daniela.
    Ein berechnetes Bild, ärgerlich, wie nur ein Image sein kann. Oder sehe nur ich sie anders, weil ich gerade dabei bin, alle anders zu sehen? Sie ist nicht das, was man ihr nachsagt, die Jugendzeit, die vielgepriesene! Erst mit zunehmender Unschärfe, wenn die Höhepunkte zur Dauerwonne zusammenrücken, wird sie schön, wird sie zum eigenen Stammtisch, wo sich alte Bekannte als Freunde treffen und einander versichern: Mensch, das wären noch Zeiten! Jeder Schritt vorwärts brachte ihn weiter zurück. Der Reiz, die Beute seiner leichtsinnigen Siege zu besichtigen, wurde unwiderstehlich. Vielleicht war es doch eine schöne Zeit gewesen? Seine Beine befanden sich schon auf dem Weg zu der Straße, wo er bei Familie Zierholt gewohnt hatte. Schneller gehend bog er in die Enttäuschung ein:
    Eine scheußliche Straße! Nur durch Gewöhnung zu übersehen.
    Jetzt war sie Einbahnstraße; die bunten Blechnasen rechts und links am Gehsteigrand wiesen in dieselbe Richtung. Kinder spielten dazwischen. Aber irgend etwas hatte sich verändert.
    Die Bäume! Die Bäume sind weg! Die durch nichts zu ersetzenden Bäume! Dort vorne rechts muß das Haus sein, mit dem Schnörkelbalkon vor dem Wohnzimmer. Und daneben Renates Zimmer.
    Er stellte sie sich vor, Renate, deren zimmerlindenhaftes Erblühen er gefördert hatte. Um die dreißig möchte sie sein.
    Ohne Danielas Eingreifen hätte ich sie vielleicht heiraten müssen? Wahrscheinlich wären wir längst geschieden und hätten außer dem ehestiftenden Kind noch einen Nachzügler, vom allerletzten Versöhnungsversuch. In ein paar Minuten läßt sich jede Zukunft mit Pflicht und Verantwortung verbauen — so frei ist der Mensch!
    Das alte Haus war weg. Die Nummer hatte Lukas vergessen, erkannte aber das Nachbarhaus an seinen Erkern. Und hier hatte es gestanden, hier, wo jetzt ein glatter, dreistöckiger Neubau aufragte, mit flachem Dach, das oberste Geschoß zurückversetzt. Neben der Abfahrt zur Tiefgarage wären messinggerahmte Schilder an der Hauswand angebracht:
    Immobilien-Schöller — Holger Appel, Helfer in Steuersachen — Olga Wagenführer, Zahnärztin
    Ober einen Plattenweg durch Vorgartengrün kam er zur Haustür und las die Namen über den Klingelknöpfen.
    »Zu wem wollen Sie?« fragte jemand hinter ihm.
    »Eigentlich zu niemand. Ich habe früher einmal hier gewohnt. Aber das Haus steht nicht mehr.«
    Die Kombination kleiner Kopf, viel Hals, Fliege und Zigarre machte Lukas stutzig. Auch der kleine, drahtige Mann schien seinerseits Anhaltspunkte zu haben.
    »Mich laust der Affe!«
    Nach diesem Bekenntnis gaben sie einander die Hand.
    »Ja, Herr Dornberg, ja auch wieder mal im Lande, ja ich dachte doch gleich, ja Sie haben sich ja gar nicht, ja wir werden eben immer, ja und da kommen Sie gleich zu uns...?«
    Zierholt rief nach einer Marion

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