Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
begann, die Einrichtung herumzurücken und aufeinanderzutürmen, daß der für den Haushalt verantwortliche jüngere Wolfgang staunte:
    »Wie vor einem Hausball!«
    Zwischendurch kam sie, zeigte den dreien eine Schaufel voll lockerer Staubflocken.
    »Sehen Sie sich das an!«
    Lukas und die Wolfgänge starrten auf die Schaufel, als wäre sie das Sieb eines Goldgräbers.
    »Fabelhaft!«
    »Möcht nur wissen, wo die langen Haare herkommen!«
    Und ihr kritischer Blick wanderte über die kahlen Köpfe der beiden.
    »Wahrscheinlich hatten wir mal einen Hund zum Tee.«
    Aber mit Staub verstand Kathi keinen Spaß. Sie hatte sich abgewandt und fegte den Boden, daß der Ältere die Hände faltete: »Nicht zu sauber, Kathi! Bitte. Es sieht sonst so nach heiler Welt aus.«
    Bei der dritten Flockenbesichtigung gaben Lukas und die beiden Wolfgänge Hungergefühle zu erkennen. Doch sie wurden mit Kopfschütteln beschieden.
    »Zu essen gibt’s erst, wenn wir aus dem Gröbsten raus sind.«
    Zum Gröbsten gehörten auch die Fenster. Die beiden Zimmerchen gewannen nicht nur sicht-, sonder auch hörbar an Glanz.
    »Ein schieres Lustgeräusch!« freute sich der ältere Wolfgang und lauschte in der Haltung eines schöngeistigen Konzertbesuchers dem Quietschen des Fensterleders; der jüngere blieb sachlich:
    »Jetzt können wir sogar bei Tag ohne Brille lesen!«
    Da hörte das Quietschen auf. Den Fensterflügel in der Hand, stand Kathi gebannt und starrte hinaus.
    »Eine saubere Aussicht haben Sie da! Schämt sich die Dame denn gar nicht? Ja, da kann ich ja gleich ins Kino gehen.«
    »Nichts gegen unser lila Täubchen!« widersprach der Junior, »das ist sehr wichtig für uns.«
    Kathi schüttelte den Kopf.
    »In Ihrem Alter...«
    In meinem Alter — dachte Lukas ein Kuß und schon wirst du sentimental. Eitler, alter Dackel! Vielleicht hat sie inzwischen im Hotel angerufen?
    Der ältere Wolfgang tippte gegen seinen Arm, damit er sich ihm wieder zuwende.
    »Nach zehn Uhr haben wir noch einen Film von einem jungen Regisseur gesehen. Ziemlich langweilig und dilettantisch, die Absicht einfach als Klartext drübergelegt. Aber schon das war eine Wohltat gegen die Buchhalterdramaturgie von früher.«
    Theatralisch faltete der Junior die Hände.
    »Wir können den Jungen gar nicht genug dafür danken, daß sie endlich das deutsche Schatzkästlein aufgebrochen und hineingeschissen haben.«
    »Was haben wir seinerzeit gegen die Schnulzen gewettert!«
    Der Ältere gestikulierte bis an die Grenze seiner Beweglichkeit. »Und wie standen wir da? Als intellektuelle Nestbeschmutzer, die kein gutes Haar an köstlichem Volksgut lassen, das Millionen unbeschwerte Stunden bereitet.«
    Stolz sah ihn der Junior an.
    »Deine Besprechungen wären ausgesprochen komisch. Viel lustiger als die Filme.«
    Das Kopfwiegen des Älteren sollte Bescheidenheit ausdrücken.
    »Ich bin, vermutlich infolge mangelhafter Schreibbegabung, immer ernster genommen worden, als ich’s meinte. Immerhin hab ich’s dadurch zu Absichten und Charakterleistungen gebracht, mit denen ich nie gerechnet hätte.«
    »Das Land des Lächelns ist Deutschland nicht!« zitierte der Junior wie eine stolze Gattin.
    »War das nicht mal eine Überschrift von ihm?« Lukas erinnerte sich genau, daß die Zeile am Stammtisch diskutiert worden war, weil Hubert sie nicht gut fand. Die Wolfgänge erinnerten sich daran nicht, sie freuten sich an der dauerhaften Nachwirkung der Aussage. »Jetzt hat uns die Jugend rehabilitiert«, fuhr der Junior fort. »Aber
    und das ist unsere Tragik — sie hat uns auch die Stimme entzogen. Wir sind alte Scheißer. Weg mit uns!«
    Das hatte auch Hubert gesagt.
    »Wein’ nicht, Junior!« unterbrach der Ältere, »es gibt eine ganze Reihe von Kritikerpäpsten, jünger als wir, die jetzt merken, daß sie die letzten zehn Jahre umsonst geschrieben haben. Plötzlich sind sie überholt mit ihrem gebildeten Gequatsche, mit ihrer geschmäcklerischen Geschwätzigkeit, weg vom Tisch, als hätte es sie nie gegeben. Wir wären doch wenigstens mal da!«
    »Ja so was!« Kathis Bäckchen glänzten wie geölte Christbaumäpfel. Sie hatte die Schublade des Tischs herausgezogen, sie auf das Brett der Kochecke zwischen den Schränken gestellt und sich über den Inhalt gemacht. Wie ein Bündel Blitze hielt sie drei Messer, vier Gabeln und zwei Löffel in der kleinen Faust: »Alte Bekannte aus dem Späten Schoppen! «
    »Aus dem Späten Schoppen ?« fragte der jüngere Wolfgang eine Spur zu

Weitere Kostenlose Bücher