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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Paragraphen.
    »Mensch, alter Junge, wie mich das freut!« sagte Karl-Heinz zu seinem Lukas, und Grete räumte das Geschirr weg und strahlte:
    »Jetzt mach ich gleich das Abendessen, gell? Wir haben ja noch das schöne Filet.«
    »Prima, Grete. Und mit viel Zwiebeln! Ich zeig unserem Lukas inzwischen den Film von Renatchen.« Und mit Blick zu ihm: »Selbst gedreht!«
    »Den von Teneriffa?« fragte Grete.
    »Den von Tunis. Wo sie so braun ist.«
    Lukas hielt ihn am Tisch zurück.
    »Bitte nicht. Die Filme möchte ich erst sehen, wenn ich Renate gesehen hab. Jetzt lieber noch einen Armagnac.«
    Grete strahlte ihm über ein scharfes Messer entgegen.
    »Du bist halt immer noch der alte Lebenskünstler, gell?«
    Der Armagnac schaffte Distanz. Lukas trat neben sich, sah sich sitzen in der Familienzange. Daß er Renate nicht geheiratet hatte, war unerheblich. In dieser Familie von nachgerade mediterranem Zusammenhalt galt er als der Schwiegersohn, als Baumeister einer nächsten Zierholtgeneration. Die Hinterlassenschaft des Akademikers störte dabei wenig. So etwas kommt vor und geht vorbei. Für die echten, die Marken-Zierholts aber war er der Mann, und was sie dazu beitragen konnten, das trugen sie bei, vom Armagnac bis zum Filet. Weil er die Filme nicht sehen wollte, durfte Lukas die Heizung des Hauses besichtigen, eine allen Krisen gewachsene Verbrennungsfabrik, die sich auch mit Kohle, Torf und Müll betreiben ließ. Dann saß er wieder in der Küche, wartete auf das Filet mit Gemüse und Salat und auf Renate.
    Karl-Heinz hatte Landkarten auseinandergefaltet, Autokarten, und arbeitete an der Reise für den nächsten Sommer, wo es nach England gehen würde, nach Suffolk, in ein kleines schiefes, gemütliches Tudorhäuschen.
    »Ich glaub’, wir nehmen die Fähre Hamburg-Harwich. Da sind wir gleich an Ort und Stelle. Was meinst du, Lukas?« Auch Grete dachte nur an ihn.
    »Ich mach’ richtige Bratkartoffeln dazu, gell? Nicht die Pommes frites aus der Schachtel.«
    Lukas sagte gar nichts mehr. Hier wurde er verstanden bis zur Wehrlosigkeit. Was Karl-Heinz und Grete an Nestbau leisteten, war Spitzenklasse.
    »Prösterchen, alter Junge.«
    Zum Essen durften die Enkelkinder wieder kommen. Alexander machte Rechte geltend.
    »Das ist mein Platz!«
    Und Marion fragte schnippisch:
    »Wieso sagt ihr zu dem Herrn jetzt du?«
    Aber die große Menge feingeschnittener, gleichmäßig verteilter Zwiebeln gewann alsbald die Oberhand, schmiedete sie zur Duftgemeinschaft zusammen; Marion und Alexander verloren ihre Scheu, lächelten dem Onkel zu, der ihnen zulächelte, als sei er schon ihr Stiefvater.
    »So, und da ist der Salat. Greif nur richtig zu, gell! Alexander, tu die Finger weg! Das mit dem Ei ist für Onkel Lukas.«
    Karl-Heinz erzählte von der Filmerei, die ihm ungleich mehr Spaß mache als das Fotografieren.
    »Auch im Klub hab ich schon gedreht. Bei einem lateinamerikanischen Abend. Schade, daß Renate nicht mehr tanzt, sie hat so schöne Bewegungen.«
    Zum Nachtisch gab er technische Einzelheiten, Objektivgeschwätz mit Weitwinkel und Gummilinse. Auf einmal stand sie an der Tür, schmal und weich die Silhouette, eine hübsche junge Frau, die auch ein Mädchen sein könnte. Nur wenig erinnerte an die freche Renate von damals. —
    »Das darf nicht wahr sein!«
    Der Augenblick des Betrachtern aus der Distanz der Jahre, dieses Sichfragen: wie finde ich sie denn? ist das Salatherz, das Filetstück mit dem Eigelb, die Crème mit der Kirsche, die Lukas gerade in den Mund befördert hatte und dort behielt bis zum Urteil. Es gibt ja Möglichkeiten: Entweder man versteht sich selbst nicht mehr (so wenig, daß einem sogar das Du schwerfällt), oder die Zeit hat sie bei den Klassenkameraden eingereiht, man sagt dann: Mensch! Wie geht’s dir denn? Oder man greift nach einander mit der Selbstverständlichkeit eines vergeßlichen Besitzers.
    Lukas schluckte die halbe Kirsche, sagte etwas, das er selbst nicht wahrnahm, weil er sie nur ansah und Karl-Heinz und Grete gerade etwas sagten und auch die Kinder, die ihr entgegenrannten. Die Mama begrüßte sie, und die Oma zog sie wieder weg.
    »Genug!« rief der Opa. »Die Mama will jetzt den Onkel begrüßen.«
    Lukas stand schon bereit, konnte aber nicht raus aus seiner Ecke, weil Marion, der Ermahnung gehorchend, zurückkam, sich dazwischensetzte, ihm frech ins Gesicht sah und auf der anderen Seite der Öpa im Wege stand. Also gaben sie sich über den Tisch die Hand. Alexander wurde laut,

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