Erknntnisse eines etablierten Herrn
stellte sie fest, worauf ihr Mann ein triumphierendes Jaja von sich gab, als wolle er sagen: Siehst du, so hält sich unsere Gattung!
An der Tür standen wieder, oder immer noch, die Kinder mit großen Tieraugen. Oma bat den Gast in die Sitzgruppe, und der Opa versuchte die Kleinen endgültig zum Gehorsam zu überreden.
»Wann kommt die Mama?« fragte der Bub.
»Das kann spät werden. Die Mama ist auswärts. Geht jetzt und fragt nicht so viel.«
Der Opa schloß die Tür und schenkte nach. Seine Frau mußte sich selbst bedienen, aus einer anderen Flasche.
Es konnte also spät werden.
»Herr Dornberg, auf Ihr ganz Spezielles! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, daß Sie uns beehren. Gell, Karl-Heinz?«
Lukas sagte >ganz meinerseits<, was er sonst nie sagte, und stieß mit seinen ehemaligen Wirtsleuten an. Vor dieser Herzlichkeit hatte er schon einmal kapituliert. auch in der neuen Umgebung ließen die beiden nichts von ihrer familienbildenden Kraft vermissen — unausgelastete Eltern, geschaffen, einem halben Dutzend Schwiegersöhne zum bequemen Verhängnis zu werden. Ob sich Renate auch in dieser Richtung entwickelt hatte? Er wollte nach ihr und nach ihrem Mann fragen, kam aber nicht dazu, denn Frau Zierholt griff mit voller Neugier nach ihm.
»Erst müssen Sie erzählen, Herr Dornberg. Dann mache ich uns e inen schönen Kaffee, gell?«
Nickend folgten sie ihm nach England, nickend nahmen sie ihm den angegebenen Grund ab, daß er gegangen sei, um seinen Horizont zu erweitern. Seinen Beruf als Zeichner nahmen sie mit bewunderndem Doppelnicken, wie Eltern, die schon immer befürchtet haben, daß der Junge ein Künstler sein könnte und auf atmen, wenn trotzdem auch im bürgerlichen Sinn etwas aus ihm geworden ist. Zu seiner Ehe nickten sie nicht, sahen einander nur an. Erst auf die Kunde, er habe keine Kinder, nickten sie wieder, bis Doreens Tod eine ganze Kette verstehenden Nickens nach sich zog.
»Ja, so spielt das Leben!« klagte Frau Zierholt und bezog auch ihren Mann ein: Schrecklich, gell? Und dann nickten sie wieder vor sich hin, bis auch Lukas mitnickte zu ihr und zu ihm. Schließlich wurde Zierholt ungeduldig.
»Du wolltest uns doch einen Kaffee machen, Grete?«
»Ja, gell. Ich bin heut eine ganz schlechte Gastgeberin. Aber ich möchte doch nichts von dem versäumen, was Herr Dornberg erzählt.«
»Dann kommen wir eben mit in die Küche«, schlug Lukas vor. Zierholt triumphierte.
»Siehst du, Grete, so ist Herr Dornberg.«
Sie gingen in einen Operationssaal für Filets und Lenden, ein Klinikum der Kulinarik, voller Maschinen und Automaten, und mit einer Zuglampe über dem Tisch, die ihm bekannt vorkam.
»Eine gute Mischung aus funktionell und gemütlich!«
»Ach, wie Sie das sagen, Herr Dornberg!«
Ihr Blick umspülte ihn mit einer Woge von Sympathie; Zierholt klopfte ihm auf die Schulter, und als er daraufhin vorschlug, den Kaffee gleich hier zu trinken, war die nächste Runde Armagnac fällig.
Die Kinder kamen wieder. Oma öffnete ein Fach, holte für jedes eine Süßigkeit heraus und schob sie ab.
»Große Kinder hat Renate schon«, sagte Lukas, dem kein treffenderes Adjektiv einfiel. Für ihn hatten die Kinder keine Merkmale, an denen sich Bewunderung aufhängen ließe. auch den Großeltern schien nichts einzufallen, sie schwiegen für ihre Verhältnisse lang, bis Frau Zierholt am Herd sagte: »Erzähl du, Karl-Heinz!«
Von technischen Geräuschen begleitet und mit einem Schluck Armagnac gestärkt, erzählte Karl-Heinz Zierholt im schwellenden Kaffeeduft aus dem Leben seiner Tochter.
»Genau besehen haben Sie Ähnlichkeit, schicksalsmäßig, Sie und Renate. Beide eine Ehe hinter sich. Nur die Umstände, die dazu geführt haben, sind verschieden. Renate wurde schwanger. Norbert, Ihr Zimmernachfolger — Akademiker übrigens — war zu den Konsequenzen bereit. Er hatte Renate von Herzen gern, und wir ihn auch. Nicht wahr, Grete?«
»Ein bißchen still war er halt. Keine solche Persönlichkeit, gell?«
Sie nickte Lukas zu, und auch Karl-Heinz Zierholt nickte wieder. »Wir haben den beiden eine große Hochzeit ausgerichtet. Ich will keine Zahlen nennen, aber Renate ganz in Weiß. Dann kam Marion, ein bißchen früh. Das war alles in der alten Wohnung, Norbert ging ja noch auf die Universität.«
Frau Zierholt am Herd übernahm die Einzelheiten.
»Also, ich kann gewiß mit Menschen, Herr Dornberg. Schließlich bin ich eine Wirtstochter. Aber die Enge, das Kind und
Weitere Kostenlose Bücher