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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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in der Sonne. Die eingelassene Bücherwand in Schleiflack glich eher einem Relaisstock bei der Post. Platten mit Buchsen, von denen Kabel zu anderen Platten mit Buchsen führten, Drehknöpfe, Kippschalter, eine Rundfunk-, Band-, Plattenstereoanlage mit Mischpult und allen Möglichkeiten einer Sendeanstalt.
    Zwei Topfpflanzen flankierten den breiten Durchbruch zum nächsten Raum, rankten sich an der Mauerkante hinauf und am Deckenträger einander zu, so, daß sie ein fast geschlossenes grünes Tor bildeten. Durch dieses Tor trat Lutz, der zufriedene Unternehmer in seidenem Rollkragenpullover, Cordhose und Leinenschuhen. Lukas fiel sein Gürtel auf, der etwa drei Cordhosen wert sein mußte; die nicht zu übersehende, sehr flache, sehr goldene Uhr (diesmal am Handgelenk), vielleicht fünfzig Cordhosen. Die vierundfünfzigste Cordhose kam auf ihn zu, strahlte, streckte die Hände aus und faßte ihn an den Oberarmen.
    »Herr Dornberg! Freut mich, daß es geklappt hat.«
    Es klang, als meine er, was er sagte. Bei sehr reichen Leuten war Lukas tonempfindlich, besonders gegen joviale Routine. Auch er gab entsprechende Stimmung bekannt und folgte zu der eingebauten Bar mit Spiegeltüren, wo der Zufriedene zwei Gläser mit Sherry füllte, die sie mitnahmen auf die Führung durch das weitläufige Anwesen.
    »Wundern Sie sich nicht, wie’s hier aussieht!« warnte der freizeitlich Zufriedene, »so sieht’s überall aus. Das ganze Haus ist ein einziges Kinderzimmer.«
    Das schien nicht übertrieben. Wo Lukas hinsah, fand er kindliche Gerätschaft. Im Damenzimmer stand zwischen zierlichen Möbeln ein Kasperletheater; in der Schwimmhalle planschte ein weiteres Mädchen, kam an den Rand und gab dem Gast die nasse Hand. Sie hieß Rose.
    »Du gehst jetzt raus und hilfst Uschi!«
    »Uschi ist gar nicht da«, verteidigte sich Rose.
    »Wieso ist sie nicht da?«
    »Sie hat was vergessen, hat sie gesagt.«
    »Trotzdem gehst du raus und deckst inzwischen den Tisch.«
    Rose gehorchte ohne Widerspruch. Uschi konnte die Mutter sein, überlegte Lukas. Auf der Terrasse präsentierte Lutz seinen Stammhalter, ein geschniegeltes Bübchen, das gerade ein Modellflugzeug startklar machte.
    »Das ist Rüdiger, unser Ingenieur.«
    Auch ihm wurde eine gemeinnützige Tätigkeit verordnet, der er sich ohne Mucken fügte. Mit acht war er der Jüngste.
    »Damit Sie sich auskennen: Uschi ist meine Frau, meine dritte. Wir sind eine sehr intensive Familie«, erfuhr der Gast. »Heute muß man seinen Kindern was bieten. Wir diskutieren alles offen, jeder sagt seine Meinung, bestimmt mit, was geschehen soll. Den Erfolg sehen Sie ja: Sie spuren!«
    Vielleicht war der Zufriedene deshalb so zufrieden? Probleme wie Drogensucht gebe es in seiner Familie nicht, betonte er. Lukas stellte sich die Kinder in fünf Jahren vor, Anemone mit siebzehn, Rose mit fünfzehn, Rüdiger pubertätsmürrisch. Und er stellte sich Uschi, die Mutter, vor: klein würde sie sein, nach drei Geburten in sechs Jahren zum Rundlichen neigend. Uschi stand in der Garage, mitten im Fuhrpark der Familie, ganz in Weiß, eine kostspielige Erscheinung.
    »Das ist unser Stolz!« sagte der Zufriedene und tätschelte seine Uschi. »Sechs Meter lang, zweihundert PS und ungefähr dreißig Knoten schnell. Wieviel Stundenkilometer das sind, müssen Sie sich selber ausrechnen. Zum Wasserskilaufen jedenfalls genau das richtige.«
    Uschis stattliche Länge brachte Lukas ins Rechnen. Die Garage war größer als das Holzhäuschen von Peter und Ines. Hatten sie drei Kinder, konnte ihr einfaches Leben nicht ganz so einfach ausfallen. Ein Schlauchboot mit Außenbordmotor mußte es schon sein, oder Ein Pony auf der Weide. Vielleicht auch beides. Wie der schlechteste Autofahrer die Kolonne anführt, setzen die unvernünftigen Eltern den Verführungsmaßstab für alle andern.
    Ein Tuckern wie das eines kleinen Außenbordmotors kam näher, brachte einen weiteren Stolz der Familie und gleichfalls von stattlicher Länge, wie er feststellte, als sich diese zweite Uschi vom Sattel des Motorfahrrades erhob und ihm die Hand reichte, »Hallo.«
    Der Zufriedene schaute noch zufriedener.
    »Meine Frau fährt am liebsten Mofa.«
    Damit war die Fortbewegung als schick markiert; Uschi machte schickes Begrüßungsgeplauder.
    »Sie sind aus London, wie ich höre.«
    »Nicht direkt.«
    »Ich liebe London. Die Kingsroad....«
    Uschi wirkte wesentlich jünger als ihr zufriedener Lutz. Sie möchte das Alter, bei dem, nach Lukas,

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