Erknntnisse eines etablierten Herrn
einem kapitalistischen Tabu gebrochen hat — das wäre die Werbung!«
Lukas aß und schaute möglichst nachdenklich; Anemone kam zurück mit frischgarniertem Angebot. Schwungvoll, wie ein forscher Autofahrer beim Rückwärtsparken das Heck über die Gehsteigkante manövriert, schob sie die Platte neben ihm über die Tischkante, zog sie, nachdem er sich bedient hatte, aus der Parklücke und rückte mit den Kartoffeln nach. »Das machst du aber sehr gut!« lobte er.
»Hab ich in ‘nem Krimi gesehen. Nur war das Essen da vergiftet.«
»Rose, den Salat!« dirigierte der Zufriedene. »Und Rüdiger, du holst noch Soße.«
Manchmal saßen wir alle am Tisch, minutenlang. Die Kinder musterhaft still, als wollten sie nicht auffallen, damit Lutz ihnen keinen Auftrag erteile; auch Uschi sprach wenig, ohne jedoch das Wohl Ihres Gastes zu vernachlässigen.
War sie glücklich oder nur sportlich? Als sie wieder den Haarvorhang vom Auge wegzog, wußte er’s: Es lag am Mund. Der Mund spielte bei der mädchenhaften Aufmachung nicht mit, hatte schon zu viel Ausdruck.
Nach dem Eis aus der Schachtel, das mit Sauerkirschen aus der Dose auf den Tisch kam und vor dem Mokka, der unter dem Wärmestrahler neben dem Gartenkamin serviert werden sollte, fand der Gast Gelegenheit, die Größe des Grundstücks nach eigenen Schritten zu schätzen. Wohin er sah, sah er etwas, das Kinderherzen erfreuen mußte, einen Ball, eine Schaukel, einen Barren, Pfeil und Bogen, Tischtennis, Croquet. Der Zufriedene im Freizeitaufzug zu seiner Linken kam wieder zur Sache, ließ sich jedoch mit einem leichten Unterton der Bewunderung in der Stimme sofort ablenken.
»Sie nehmen sich viel Zeit für Ihre Familie.«
»Ich habe sie. Ein Geschenk meiner Angestellten sozusagen.«
»Mitbestimmung?«
Der Zufriedene nickte.
»Sie war nicht mehr aufzuhalten. Und da hab ich mir gesagt: Jetzt mach’ einen sozialen Musterbetrieb!«
»Bei Ihrer politischen Einstellung...«
Wieder schmeichelte der Unterton.
»Man muß progressiv sein, sonst kommt man aus dem Ärger nicht mehr raus.«
»Haben Sie sich ganz zurückgezogen?«
»Ich habe Chancengleichheit verwirklicht. Meine leitenden Angestellten leiten die Firma. Ich selbst habe einen Vertrag als Berater. Damit sie keinen Quatsch machen. Aber ich komme nur selten. So sind alle zufrieden. Sie haben jetzt meine Sorgen und ich endlich meine Familie.«
Am Kaminplatz deckten die Tochter den Kaffeetisch. Ob ihnen das recht war, daß ihr Lutz so viel Zeit für sie hatte? Lukas’ Frage nach dem Geschäftsgang änderte nichts an der Zufriedenheit.
»Die Qualität hat natürlich nachgelassen. Wie überall. Aber das ist nicht mehr meine Sorge.«
»Und warum verkaufen Sie nicht, oder schenken die Firma der Belegschaft?«
Mit einer unschlüssigen Bewegung blieb der Zufriedene stehen. »Sentimentalität? Ich hab den Laden von meinem Vater geerbt, ich..«
»Sie denken an die Kinder.«
»Nein. Die Zeiten sind vorbei. Meine Kinder habe ich mit Immobilien abgesichert. Jedes besitzt schon jetzt ein Haus mit 20 Appartements.«
»Wegen der Erbschaftssteuer?«
»Sehr richtig. Und so sind sie aus der Schußlinie. Wohnungen darf man haben, die fallen nicht auf. Nur als Fabrikbesitzer ist man ein überflüssiger Kapitalist.«
Verstehend nickte der Gast.
»Bei Ihrer Einstellung müßten Sie eigentlich auf Verstaatlichung drängen.«
»Könnte ich jederzeit. Aber ich will nichts übereilen. Man weiß nicht, was kommt. Die Herren geben sich zwar alle Mühe, unternehmerischen Riecher durch Teamarbeit, Marktanalysen und Überstunden zu ersetzen, trotzdem macht sich so etwas wie Verantwortungspsychose breit, was ich verstehen kann. Nicht jeder ist eine Führerpersönlichkeit.«
Lukas nickte, als sei ihm die Wortwahl ebenso selbstverständlich.
»Sie halten sich also bereit? Vorbildlich sozial!«
»Das ist zu viel gesagt. Ich würde meine Männer nicht im Stich lassen. Sollten sie mich allerdings rufen, käme ich nur zu meinen Bedingungen.«
»Und die wären...?«
»Nennen wir sie >patriarchalisch<. Es ginge ja um die größtmögliche Effektivität.«
»Und wenn die Mitbestimmer zurechtkommen?«
»Dann werde ich sie verkaufen. Wozu mir vorwerfen lassen, daß ich etwas besitze? Wir haben ein Haus am Lago Maggiore und das Notwendigste. In der Schweiz kann man damit rechnen, daß es sich noch zehn Jahre angenehm und unbehelligt leben läßt.«
»Machen Sie sich da nicht der Steuerflucht verdächtig?« ‘
Zufrieden lachte der
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