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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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gelungen, findet er.
    »Na, bis sieben werdet ihr ja zu Mittag gegessen haben?«
    »Ich denke auch«, antwortet er gewissenhaft.
    »Dann bis sieben. Bin irre gespannt!«
    Die Mutter freut sich wahnsinnig, die Tochter ist irre gespannt — wenn jetzt das Telefon noch mal klingelt, bekomme ich einen falschen Eindruck von mir!
    Das Gesicht im Spiegel schaut nicht mehr mürrisch. während er sich rasiert, singt er vor sich hin und stellt fest, daß er schon lange nicht mehr vor sich hingesungen hat, wenn er sich rasierte. Singend zieht er sich an, schwebt, noch summend, hinunter, gibt den Schlüssel mit dem Totschläger ab und geht, die Melodie stumm weiterdenkend, in den Saal zu den Familien, die um diese Zeit frühstücken. Die Eggs und Bacon, die er sich bestellt hat, schmecken ihm nicht, erinnern an England — und daran will er im Augenblick nicht erinnert werden. Er fühlt sich unausgeschlafen, möchte nichts müssen und hat schon wieder Termine, als gehöre er einer Firma an. Von der Tür her Glockenspiel; der olivhäutige Page mit der Monstranz der Telefonzentrale sucht einen Herrn Beck. Aber niemand steht auf. In der Halle kauft er sich eine Zeitung, eine englische, die er sonst nicht liest, trinkt Tee und vertieft sich in die fernen, sonst nahen Wichtigkeiten, eine Straßenverbreiterung zum Beispiel, eine völlig unnötige, weil jeder die Abkürzung fährt.
    Von der Tür her wieder Glockenspiel: der olivhäutige Page mit der Monstranz der Telefonzentrale kommt herein. Gäste schauen auf und frühstücken weiter, reden weiter, lesen weiter, das Glockenspiel ertönt weiter, der olivhäutige Page geht noch einmal herum. Auf der Monstranz steht: Telefon für Herrn Darmbach.
    Lukas liest den Namen und geht hinaus.
    »Darmbach«, meldet er sich im miefigen Polstergehäuse.
    »Guten Morgen.«
    »Daniela! Na, ausgeschlafen?«
    »Längst. Die erste Rede hab’ ich schon hinter mir.«
    Sie klingt beschwingt die vertraute Stimme, möchte wissen, wie er geschlafen hat, wie er sich fühlt. Lukas kommt sich vor wie ein Mann, der seine Frau das Geld verdienen läßt.
    »Wie schaffst du das, Daniela?«
    »Ach, ich bin das gewohnt. Ich hab’ unterwegs gesungen. Ein Tip von Peter. Du solltest auch mehr singen.«
    Dazu brauch’ ich keinen Peter, hatte er sagen können, wenn er dazu gekommen wäre, doch sie redet weiter, sehr vorsichtig, klammert die letzte Nacht aus, beide klammern die letzte Nacht aus, möchten zwar etwas dazu hören, aber nichts sagen. Jedes Wort kann hier falsch klingen, nach Sentimentalität, nach Konsequenzen. Sie kennen einander zu gut, das nimmt ihnen die Leichtigkeit. Keiner will den andern verpflichten; sie spielen Freundschaft.
    Daniela konnte einen Termin umstellen. Morgen abend ist er bei ihr eingeladen, soll doch sehen, wie und wo sie lebt, und erfahren, wie sie kocht. »Morgen abend? Gut.«
    Renate fällt ihm ein; er wird sie anrufen, ihr Blumen schicken und Mutter Grete auch. Der Tee in seiner Tasse ist nur noch lauwarm, Heute Andrea, morgen Lilly und Daniela!
    Jetzt hat er endgültig einen falschen Eindruck von sich.

    Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern des kleinen Parks hatten aufgegeben. Schlaff und auf eine grüne Variante farblos hingen sie an müden Stielen, Eingeschlossene auf verlorenem Posten, die ihr letztes Chlorophyll gegen den Sperrgürtel der Autoabgase, Ölheizungen und die Lungenexkremente der Raucher verschossen haben: Natur von der Natur abgeschnitten, ohne das in Generationen erworbene Pogromtraining von Zimmerpflanzen.
    In den Gründerjahren als grüne Lunge angelegt, stand der kleine Park jetzt für die Mode der »aufgelockerten Bebauung«. Sonst wäre er längst geschleift und betonisiert. So hatte er noch Placeboeffekt: Von einer Parkbank aus fünfzig Meter Entfernung nimmt sich Großstadtverkehr vergleichsweise beschaulich aus, lassen sich kaum verdünnte Kohlenmonoxydrückstände genüßlich als Ozon einatmen.
    Der Weg durch den kleinen Park mündete in einen Mischwald aus Schildern, Ampeln und Masten. Wagenkolonnen stauten sich hier, die rauchenden Rohre auf das Stückchen Natur gerichtet und auf die Menschen, oder besser Verbraucher, die ergeben warteten auf Geherlaubnis und Weitertransport. Zu ihnen schloß Lukas auf, spazierte zwischen ihnen hindurch quer und vor bis zum Rand der Schutzinsel, die, wie ein gelb-grünes Bäumchen auswies, gleichzeitig als Omnibushaltestelle diente.
    Da sein Auge in der Menge der Wartenden um ihn und angesichts des gestauten

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