Erknntnisse eines etablierten Herrn
Vollendung beginnt, gerade erreicht haben, war jedoch nicht rundlich, sondern mädchenhaft, ein Eindruck, den ihr Haar unterstützte: Für eine Mutter von drei Kindern war es, nach seinem Geschmack, zu lang.
»Wann können wir essen?«
Deutlich sah der Zufriedene auf seine sehr flache, sehr goldene Uhr. »Sofort.«
Uschi schob den Haarvorhang von einem Auge zurück, wie alle Mädchen das tun, seit die Bardot damals aufgehört hat, sich zu frisieren. In dem Korb, den sie unter Lukas’ Mithilfe vom Gepäckträger des Mofas nahm, lag der Nachtisch: zwei Familienpackungen Speiseeis.
Unter Blicken, die, vom Geschlecht programmiert, in halber Höhe Verweilten, ging Uschi voraus, mit Hosenpopo ohne Kinderzuwachsrate; die Herren folgten langsam, nahmen noch einmal auf zwei Sofas Platz, einander gegenüber, bevor sie im Eßzimmer auf goldenen Stühlchen Platz nahmen, einander gegenüber, und ohne daß der Gastgeber aufgehört hätte, seinen Gast mit dem zu füttern, was er loswerden wollte, das aber betraf nicht den Beruf, sondern ihn selbst, seine Familie, seine Zufriedenheit nebst Ursachen.
»Wissen Sie, wir sind ganz links. Ein Mensch, der mit der Zeit geht, muß links sein. Man kann sich doch nicht mehr bedienen lassen wie vor zwanzig Jahren.« Prüfend schaute der Zufriedene über den Tisch. »Rüdiger, unser Gast hat keinen Salzstreuer!«
Die Mädchen trugen die Suppe auf, Anemone die Schüssel, Rose die Teller, Rüdiger brachte den Salzstreuer.
»Danke dir.«
»Gern geschehen«, antwortete der Bub, während sein Blick zurücknahm, was der Mund versprochen hatte. Zum Auftakt erschien auch Uschi, jedoch nur, um zu sagen, sie esse keine Suppe und werde sich inzwischen um das Weitere kümmern. Wieder schob sie den Haarvorhang von einem Auge zurück. Irgend etwas stimmte nicht mit der jugendlichen Erscheinung. Aber was? Figürlich sah sie noch schulpflichtig aus. Sie ging hinaus, und Lutz wandte sich wieder an seinen Gast.
»Letzten Winter hat meine Frau beim Chefkoch vom Palace Hotel einen Kurs in französischer Küche mitgemacht«, verkündete er zur Markklößchensuppe, »seit dem essen wir nur noch französisch.« Anemone und Rose grinsten mit gesenkten Köpfen; ihr zufriedener Lutz merkte nichts.
»Wir machen alles selbst. Meine Frau und die Kinder.«
Mit einem Nicken bei gehobenen Brauen bezeigte der gerade vollmundige Gast seine Bewunderung.
»Für die grobe Arbeit kommen zwei Putzfrauen aus der Firma«, erfuhr er weiter. »Rose, wo ist der Flaschenöffner?«
Rose legte den Löffel in die Suppe, stand auf und holte den Flaschenöffner.
»Danke, mein Kind.«
»Und wie lange machen Sie schon alles selbst?« fragte Lukas.
»Seit Ostern. Da ging unsere Bärbel ins Altersheim. Die konnte noch dienen! Achtundzwanzig Jahre war sie bei uns. Wir haben ein paar Versuche gemacht, sie zu ersetzen. Aber was die Mädchen heutzutage verlangen, für das, was sie nicht können! Und dann wollen sie am Tisch mitessen — ist ja bei unserer Einstellung völlig selbstverständlich — , nur reden kann man nicht, wenn immer ein Fremdkörper dasitzt, und darunter leidet das Familienleben. So, jetzt könnt ihr abräumen und das nächste bringen!«
»Okay, Lutz«, sagte Rüdiger.
Sie räumten zusammen und zogen ab, wie über einen Laufsteg für sündteure Kindermoden. Gerührt sah Lutz ihrem Gänsemarsch nach.
»Sie haben Aufgaben. Das tut ihnen gut.«
»Und Ihre Frau? Ist es nicht zuviel für sie?«
»Ich bin für die Emanzipation, aber ich bin dagegen, daß sie sich außerhalb des Hauses abspielt. Hausfrau ist ein sehr ernst zu nehmender Beruf. Wohin es führt, wenn eine Frau nicht genug Pflichten hat, das seh’ ich an diesen schrecklichen gnädigen Frauen der Nachbarschaft. Und ich hab eine sehr junge Frau.«
Das deutsch-französische Essen schmeckte ausgezeichnet. Mit seinem Lob für die Vorsteherin des Haushaltskollektivs löste der Gast überraschte Bescheidenheit aus.
»Ich hab nur ein bißchen mitgewirkt. Das meiste lassen wir kommen.«
»Manchmal«, schränkte der Hausherr ein. »Aber zur Sache: Was mir kürzlich eingefallen ist, nach Ihrer Rede...« Nahrungsaufnahme zwang ihn zu einer Pause; Uschi stand auf, trug die halbleere Platte in die Küche, Anemone und Rose folgten mit Schüsseln, »…man müßte die Werbung revolutionieren, sie verweigern; mit einem Knalleffekt, der weiterwirkt, der diskutiert wird in der Presse, im Fernsehen, bei den Patienten, daß man als Pionier dastünde, als Mann, der mit
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