Erknntnisse eines etablierten Herrn
Antwort mehr. Sie fährt fort: »Bis auf den Busen. Der ist bei ihr weiter unten.«
Stumm seift er, was bei ihr weiter oben ist, bemüht, sachlich zu bleiben, auch weiter unten. Da ist es hilfreich, das leidige Thema zu rügen. Immer die Mutter! Das grenze an einen Komplex, den sie nicht nötig habe. Sie sei doch ein sehr hübsches Geschöpf. »Und jetzt ich dich!«
Ohne seine Zustimmung abzuwarten, hat sie sich die Seife geholt und beginnt beim Rücken.
»Ich hab’ mir schon immer einen reifen Mann gewünscht.«
Benimmt sich der frisch gereinigte Mann dann auf der Bettkante wie ein reifer Mann, indem er mit Zärtlichkeit antwortet, wie er’s gelernt hat, wie es durch Generationen erprobt und als wirksam betätigt ist, gibt er sich also, wie er ist, muß er auf Überraschungen gefaßt sein.
»Wenn ich mir vorstelle, daß meine Mutter auch so dagelegen ist, wie ich jetzt...«
Was soll der reife Mann da antworten? Was immer er auch sagt, die Antwort darauf bringt neue Überraschungen, »Ich finde das gut.«
Das Lächeln, das sie ihm zu zeigen versucht, mißlingt. Allmählich wird der reife Mann nervös. Er versucht, sich den Genuß nicht schmälern zu lassen, sich einzuschwingen in die vertraute Weise, sensitiv und simultan, küßt, während er streichelt, den Mund. Doch sie spricht weiter.
»Sagst du mir nachher, wie sie war?«
Da unterbricht das Kleinhirn seine Impulse, die Exekutive flaggt halbmast. Ein Trauerspiel! Sie hält sich nicht an die Spielregeln. »Ich glaube, du gehst besser wieder zu deiner Nora!« Er stemmt sich hoch, doch wie Lianen schlingen sich die jungen Arme um seinen Nacken. Irgend etwas klopft, die Stadt ist laut, Hotels sind keine Oasen mehr. Trotz Doppeltüren. Es klopft und stört. Er will es nicht hören, hört es aber und denkt:
Der Anzug! Der Anzug ist gebügelt. Es soll anscheinend nicht sein. »Hängen Sie ihn an die Tür!« ruft der reife Mann, an Überraschungen endgültig nicht mehr interessiert. Es klopft weiter. Man hat ihn nicht gehört. In der falschen Richtung wirken die Doppeltüren einwandfrei.
»Moment.«
»Was ist denn?« fragt Andrea.
»Mein Anzug. Ich habe einen Anzug zum Bügeln gegeben. Wer kann denn ahnen, daß hier so flink gearbeitet wird.«
Er klettert aus dem Bett, der reife Mann, zieht den seidenen Morgenmantel an (den er nicht hatte mitnehmen wollen), die Exekutive verharrt in unschlüssigem Winkel. Er öffnet die erste Tür, geht zur zweiten, dreht den Schlüssel um, drückt die Klinke, streckt die Hand hinaus nach dem lästigen Anzug.
»Lukas!«
So durchsonnt, so vollmundig hat er seinen Namen lange nicht mehr gehört. Die nach dem Anzug ausgestreckte Hand sinkt, zwei Hände treten an ihre Stelle, strecken sich ihm entgegen im Halbhell zwischen den Türen, noch einmal fällt sein Name, das Mädchen, das hinter ihm liegt, steht vor ihm, älter, parfümiert, küßt ihn auf die Wange.
»Lilly!«
Es klingt mehr als überrascht. Seine Hände greifen nach ihren Schultern, instinktiv, um sie aufzuhalten, sind aber noch von der vorausgegangenen Aufgabe programmiert, wirken zärtlich. Lilly schmiegt sich hinein. Auch das hält auf, ist eine Möglichkeit, sie aufzuhalten, bis er sich gesammelt hat.
Lilly freut sich über diese Begrüßung. Sie hatte etwas Angst vor dem Wiedersehen, wie sie sagt. Überhaupt spricht sie viel und schnell, von Abendmaschine, die sie gerade noch erwischt hat, weil Alfredo plötzlich nach Zürich mußte. Erst morgen wird sie offiziell zurück sein und ist schnurstracks vom Flughafen hergefahren.
»Du bist allein?«
Er kann die Frage nicht sofort beantworten, weil er mit dem Rücken zum Bett steht, während sie ins Zimmer tritt. Eine Antwort ist auch nicht erforderlich, denn sie sagt:
»Frau Dornberg ist nicht dabei. Ich habe gefragt.« Sie dreht sich ihm entgegen; hinten auf der Frückstückshörnchenlehne des Sessels liegt ihr Kleid, das elegante. »Laß dich anschauen!« Hager ist sie geworden, besonders der Hals, sieht aber noch fabelhaft aus, strahlt ihn an. Er verfolgt ihren Blick, merkt, daß der Morgenmantel sich geöffnet hat, schließt ihn wieder. Ihr Strahlen hat jetzt etwas Triumphierendes.
»Hab’ ich dich aus dem Bett geholt?«
Er schüttelt den Kopf.
Wenn sie besorgt schaut, wie jetzt, da sie ihn fragt, ob er sich nicht wohl fühle, sieht er die Falten.
»Ich hab’ mich nur ein bißchen hingelegt, weil ich zu viel gelaufen bin, heute, in der Stadt. Es ist ja alles anders geworden.«
Versonnen nickt
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