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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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die wenigen Frauen umdrehten. Auch er wurde gemustert.
    Hoffentlich halten sie mich für den Vater!
    Er fand seinen Gedanken kleinlich, fühlte sich plötzlich alt und überfordert. Sein Kind saß schon auf einem Hocker.
    »Wie hat das Zeug geheißen, neulich?«
    »Port and Brandy!« sagte er gleich an die richtige Adresse.
    Und für mich einen Mokka.«
    An einem Bein zog er den Barhocker aus der Reihe und stellte sich neben sie.
    »Warum setzt du dich nicht? Mußt du wieder weg?«
    »Nein. Ich stehe lieber.«
    Sie sagte nichts. Aber dieses Nichts klang so, als finde sie es ganz in Ordnung, daß der Mann neben ihr steht. Er fand seine Antwort voreilig, die Füße taten ihm wieder weh; er trat von einem auf den andern.
    »Was hast du gemacht inzwischen? Alte Freunde besucht?«
    Er sagte ja, und da sie nicht weiterfragte, wollte er auch nicht fragen, was sie gemacht habe, weil er darin keinen Sinn sah. Wenn Andrea etwas sagen wollte, mußte man sie nicht erst fragen. Aber sie wollte nichts sagen. Also schauten sie dem Keeper zu und warteten auf ihre Getränke.
    Sie behandelt mich wie einen der Ihren! stellte er fest und hatte nichts dagegen, wie er feststellte. Schließlich fragte sie doch.
    »Wie war’s? Erzähle.«
    »Andrea, du mußt nicht Konversation machen. Wenn du wieder weg willst, sag’s.«
    Ohne Umschweife — das war die richtige Sprache, nicht unbedingt charmant, aber zweckmäßig. Sie sah ihn an.
    »Willst du mich loswerden?«
    »Ich meine, bevor du dich hier langweilst, geh lieber.«
    »Ich langweil’ mich aber nicht.«
    »Ich bin müde«, sagte er, während der Keeper die Getränke auf die Theke stellt, »und mag eigentlich nicht reden. Deine Clique ist da sicher amüsanter, der Theorieathlet, bei dem wir neulich wären...«
    »Alles kaputte Typen!« Sie machte eine abfällige Bewegung. »Mit dem einen kannst du nur über Politik reden, mit dem ändern überhaupt nicht, weil er ständig high ist; der dritte säuft und ist down; der vierte hat Existenzangst, daß du nicht mehr froh wirst, und der fünfte wieder eine andere Neurose — mich langweilt das alles ungeheuer.«
    Der Mokka schmeckte bitter.
    »Ich glaube, du langweilst dich sehr schnell.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Und was versprichst du dir von mir?«
    »Du nimmst alles nicht so ernst. Du hast Substanz. Ich fühl’ mich einfach gut, wenn du da bist. Und lustiger ist es auch.«
    »Aber ich bin ein alter Sack.«
    Sie blinzelte ihn an.
    »Vielleicht mag ich grade das.«
    Was konnte ich mit ihr machen? überlegte er und rührte in der kleinen Tasse. Vielleicht in ein Kino?
    Andrea wurde unruhig; der Hocker quietschte.
    »Wie findest du mein Kleid? Gehört meiner Mutter. Ich war vorhin im Haus und hab’s geholt.«
    Ihr Eifer rührte ihn. Es sei das Lieblingskleid ihrer Mutter, plapperte sie weiter, irre teuer gewesen und unwahrscheinlich eng. Ein Männchen mit Zigarre, das sich neben Lukas zwängte, veranlaßte ihn zu der Bemerkung, hier sei es auch unwahrscheinlich eng und irre rauchig.
    In der Hotelhalle atmete er auf.
    »Laß uns ein paar Schritte gehen.«
    Sie zog die Schultern hoch und faßte sich an den Oberarmen.
    »Draußen ist mir’s zu kalt.«
    »Ich hol’ dir meinen Mantel. Wart einen Augenblick.«
    Beim Portier ließ er sich den Schlüssel mit dem Totschläger wieder geben; der Lift stand bereit. Als sich das gewellte Messingblech aus der Wand bewegte, stellte Andrea der Lichtschranke ein Bein; es wich wieder in die Wand zurück und sie stieg ein.
    »Ich mag nicht allein warten. Da quatschen einen nur alte Kerle an.«
    In dem damenfreundlichen Spiegel sahen sie aus wie Vater und Tochter. Väterlich — das war die einzig richtige, einzig mögliche Haltung.
    Auf dem langen Korridor begegneten sie dem Zimmermädchen, das auch die Nummer vierhundertelf versorgte. Es war ihm unangenehm, doch er verdrängte das Mißbehagen, schalt sich einen alten Spießer und legte den Arm um Andreas Schulter. Wen ging denn das etwas an?
    Im Gegensatz zu dem damenfreundlichen Spiegel im Lift redete der in der Tür des Kleiderschranks eine härtere Sprache, ohne Umschweife. Lukas, der nach dem Mantel greifen wollte, blieb stehen und sagte zu ihr und zu sich:
    »Ich bin wirklich ein alter Sack.«
    Sie kam, legte das Kinn auf seine Schulter und sah mit ihm in den Spiegel.
    »Ich finde dich genau richtig. Und deine grauen Schläfen mag ich ganz besonders.«
    Jetzt sahen sie nicht aus wie Vater und Tochter. Er lachte sie an in dem Spiegel, breit, daß am

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