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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Eckzahn unten rechts das kleine Häkchen sichtbar wurde, das die folgenden beiden in der Reihe hält; eine feinmechanisch exakte Arbeit seines Zahnarztes, und herausnehmbar.
    »Komm, wir gehen.«
    Ihre Kinnlade lag auf seiner Schulter, wie ein Hundekinn auf dem Teppich. Er nahm den Mantel aus dem Schrank, sah sie im Spiegel an. Sie nahm ihm den Mantel aus der Hand und warf ihn über die Frühstückshörnchenlehne des Sessels.
    »Das können wir nachher.«
    Vom Dom schlug das katholische Zeitmonopol zweimal: halb sieben. »Zieh mal!«
    Mit dem Rücken zu ihm stand sie da, deutete ins Genick, auf den Griff des Reißverschlusses.
    »Was soll das?« hörte er sich sagen. Dann zog er. Bis hinunter zu den letzten Lendenwirbeln ging seine hilfreiche Fahrt. Andrea beugte sich vor, enthüllte zuerst einen kaum gebräunten Mädchenrücken, glatt, fast ohne Unregelmäßigkeiten im Pigment, ein kurzgeschwungenes Becken. Geschäftig stieg sie aus dem irre teuren Kleid und aus dem, was sie darunter trug, und warf beides auf seinen Mantel über die Frühstückshörnchenlehne des Sessels, Lukas wartete auf die Szene aus dem bürgerlichen Roman und dem spätbürgerlichen Film, da die Schöne sich langsam umdreht, die Arme kokett über dem Kopf gekreuzt, um dem staunenden Spießer freitragende Leibesfrüchte vorzugaukeln und zu schaukeln, indes der Blick verheißt: Das ist jetzt alles dein! — Diese Schlemmerszene bereitete sie ihm nicht. Was er von ihr zu sehen bekam, war ein hüpfender, ins Badezimmer verschwindender Popo.
    Langsam, wie ein Bademeister, der nach dem Rechten sieht, ging er ihr nach, blieb unter der Tür stehen.
    »Hast du kein Badeöl?«
    Stumm wies er auf die Tube in der Seifenkachel. Sie drückte sie aus, hielt sie unter den Wasserhahn, sah zu ihm auf. »Was starrst du mich an? Zieh dich aus!«
    Er hatte altmodisch gehandelt, gehörte einer busenfreundlicheren Generation an. Uneins mit sich, ging er ins Zimmer zurück.
    Laß ihr den Spaß. Laß sie baden. Aber laß du es! Das gibt nur Komplikationen. Du weißt es.
    Bestärkt von seinem besseren Wissen gab er nach, zog die Übergardinen zu, daß die kochfesten Blüten sich entfalteten, schaltete das Bettlicht ein, trat wieder vor den Spiegel und zog sich unter innerem Widerstand aus.
    Er wirkte noch sportlich, relativ sportlich, ein bißchen Fettüberhang auf der Taille. Auch das Profil prüfte er. Es ging. Bei leichtem Andruck der Bauchmuskeln brauchte er sich vor der Jugend nicht zu verstecken. Er atmete ein.
    »Na endlich!«
    Andrea saß im chemischen Aphroditenschaum und besah ihn, als taxiere sie einen Gebrauchtwagen.
    »Im Anzug wirkst du schlanker.«
    Rasch senkte er sich am anderen Ende in die Wanne und streckte seine Füße an ihren Hüften vorbei.
    »Mensch! Du hast ja eine irre Wasserverdrängung. Wie ein Tanker.«
    Schaumgeborgen war das Schicksal leichter zu ertragen. Er ließ ein väterliches Lacheln springen, denn schon rührte ihn ihre Eingleisigkeit: Ihr rechter Fuß lag auf Anschlag zwischen seinen Schenkeln. Aber da war keine Bewegung in den Zehen, kein Druck. Andrea lebte ausschließlich, und im Augenblick nahm sie ein Bad. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen, doch die Gruppierung ließ es nicht zu. Ersatzweise schob er Schaum zu ihr hin.
    »Du willst mir sicher erzahlen, warum du nicht angerufen hast, neulich.«
    »Jetzt machst du Konversation.« Sie hob das andere Bein aus dem Wasser, daß der Fuß wie ein Ausrufezeichen vor ihm stand und ließ ihn zurückfallen. »Gut, ich erzähl’s dir. Ja also, nach unserer Pleite, du weißt ja, war ich ziemlich deprimiert. Nora — das ist die, die bei mir wohnt — hat’s gemerkt.«
    Sie stockte, sah ihn an und fuhr ernst fort, als er ihr zunickte. »Sie wollte mir helfen und — na ja, sie macht zur Zeit auf lesbisch und...«
    »Und?«
    »Frag’ doch nicht so dumm! Sie hat mich getröstet. Es war gar nicht unangenehm.«
    Ihm war es unangenehm. Wenn sie sich jetzt wieder in reiztechnische Details verliert, dreh’ ich die kalte Dusche auf, dachte er. Aber Andrea verlor sich nicht, stand auf und wollte abgeseift werden. Er setzte sich auf den Rand der Wanne, nahm sie in die Hände, unter deren Kreisen sie alsbald zu ihrem Lieblingsthema zurückfand.
    »Nun sag schon: Seh ich aus wie sie?«
    »Wie wer?«
    Sein linkes Bein, das eingeschlafen war und gerade kribbelnd erwachte, hatte die Rückfrage ausgelöst.
    »Mein Gott, wie meine Mutter natürlich!«
    Auf diese Frage gibt es bei ihm keine

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