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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Glasscheibe und schaute hinein zu den Hausfrauen an den Waschautomaten, die das große Wort führten und nur gelegentlich den Blick durchs Bullauge warfen, hinter dem ihre Wäsche rotierte. Auch einige Männer entdeckte er, jüngere, in seinem Alter und älter. Zwischen den brutal-emsigen Haushaltswachtmeistern wirkten sie ungeschickt, verschüchtert, so, als wären sie eigens engagiert, seinen Gedanken zu bestätigen: Hier haben die Frauen den Motor. Auf einer Leiste der Glastür war ein winziges Schild befestigt. R eiffenstein stand darauf, ohne von. Hoheits Waschsalon. Marie-Luise hieß ja nicht mehr Reiffenstein.
    Er ging weiter, zielstrebig, wie er bald bemerkte, zum Haus ihrer Tante, bei der sie gewohnt hatte und jetzt, nach Danielas Worten, wieder wohnte, mit Mann und Mutter. Marie-Luise, die Bilderbuchprinzessin, die nach Kenntnisnahme bürgerlicher Sexualität, ihn, den verliebten Gockel, in seine gesellschaftlichen Grenzen zurückverwiesen hatte und fortan Distanz hielt, mühelos, als habe es nie ein persönliches Wort zwischen ihnen gegeben. Undenkbar, daß sie den Ausdruck Orgasmus gebraucht hätte! Von Schwierigkeiten damit gar nicht zu reden.
    Es hatte ihn getroffen damals, das Ende aus heiterem Himmel. Seine Eitelkeit vor allem, die es nicht vertrug, nicht gestreichelt zu werden. Sie war schon sehr hübsch gewesen, Marie-Luise. Jetzt hatte sie bestimmt viele Kinderchen, blond, wohlerzogen (Gotha eins hat immer viele Kinderchen) und einen standesgemäßen Mann, der aus jeder Haltung salopp Handküsse anzudeuten versteht und am Ringfinger zwei Ringe mit Steinen trägt. Oder am kleinen.
    Ob sie auch eine glückliche Familie wären?
    Von Reiffenstein stand auf dem Messingschild über der Klingel, daneben auf einem zweiten Krafft zu Möckendorff. Das Messing war geputzt, schimmerte einladend, aber die Neugier reichte nicht aus, den Knopf zu drücken. Noch eine Familie — wozu?
    Er ging weiter, bog um Ecken, überquerte Straßen, orientierte sich an den wenigen alten Gebäuden, die in dieser Gegend noch standen, und fand den grauen Block mit den wuchtigen Fensterumrahmungen: Hier hatte er auch gewohnt, mit Ingrid, seiner Braut, auf die er sich konzentrieren mußte, um sie sich vorstellen zu können. Ingrid mit den musischen Ambitionen!
    Hatte sie auch eine glückliche Familie? Eines jedenfalls hatte sie noch: seinen Schreibsekretär, barock und aus seiner Familie. Da zupften jetzt wahrscheinlich die Kinder am Furnier, denn wenn jemand todsicher Kinder hatte, dann war es Ingrid.
    Was haben wir gezittert alle vier Wochen! Vor dieser penetranten Fruchtbarkeit.
    Zweimal war sie ihm teuer zu stehen gekommen. Weil ein martialisches Gesetz es verbot und noch immer verbietet, das Land um einen künftigen Soldaten, eine künftige Kriegshelferin zu prellen. Es gab sie ja noch nicht, die segensreiche Pille. Damals war man immer latentes Schwein.
    Müde vom langen Spaziergang durch die Stadt hatte er sich ausgezogen, den Anzug zum Bügeln gegeben, Renate und Frau Zierholt Blumen schicken lassen, Renate angerufen, die nicht da war. Lag auf dem Bett, blätterte in einer Zeitung und ließ die schmerzenden Füße kreisen.
    In zwei Stunden kommt Andrea!
    Allein die Vorstellung empfand er schon als schmerzhaft. Was wollte sie von ihm? Das. Und nicht einmal seinetwegen. Er streckte sich, gähnte.
    Liegenbleiben! Nichts müssen. Ein bißchen schlafen. Dann essen. Allein. Vielleicht geräucherte Forelle. Und wieder ins Bett. Und sonst gar nichts.
    Das Telefon klingelte. Andrea. Zwei volle Stunden zu früh. Wie hab ich das verdient?
    Stöhnend zog er sich an, Löffelte fluchend die wehen Füße in die engen Schuhe, erfrischte das Gesicht mit kaltem Wasser, drehte den Schlüssel um und begab sich mit Totschläger bewaffnet zum Rendezvous. Das gewellte Messingblech wich in die Wand zurück: da stand sie. Oder war sie’s nicht? Doch, sie war’s, aber verändert. Sie hatte das Haar hochgesteckt und trug, entgegen ihrer gewohnten Kostümierung, ein Kleid, ein teures offenbar und entsprechend konventionelles.
    »Erst möcht ich einen Drink«, sagte sie statt einer Begrüßung und ging, seines Einverständnisses sicher, voraus. Das elegante Kleid machte sie fremder; vielleicht kam es ihm auch nur so vor. Endlich fiel der Groschen: Sie will wie Lilly aussehen!
    Er war gerührt.
    In der Bar wie immer viele Männchen und wenig Frauen, gedämpfte Bandmusik, die Luft ein Lungenklosett. Männchen drehten sich nach Andrea um, worauf sich

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