Erknntnisse eines etablierten Herrn
zutiefst.«
»Sie haben es mir nicht verborgen.«
»Das war auch nicht meine Intention.«
»Es gibt Mädchen, die sich in reife Männer verlieben müssen.« Ehe er sich verbessern konnte und statt »reif«
»erwachsen« sagen, antwortete sie schnell und barsch.
»Aber nicht in Sie!«
»Und was hat mir die Ehre Ihrer schlechten Meinung verschafft?«
»Sie sind eine männliche Schlange. Oder waren es jedenfalls. Ganz gibt sich das nie.« Eine Rebhühnchenhand deutete zu dem Bild an der Wand. »Er war genauso ein Kopfverdreher, hatte dieselbe hinterhältige Passivität!«
Behutsam setzte Lukas die Tasse ab, tupfte mit der Serviette die Lippen und küßte die Rebhühnchenhand.
»Daß Sie mich aus familiärer Erfahrung abgelehnt haben, betrachte ich als Auszeichnung.«
Da faßte die alte Dame ihre lange Perlenkette hinter dem Knoten und ließ die Schlinge kreisen wie ein Lasso, fast so, als wolle sie kokettieren.
»Oh, ich hatte noch andere Gründe! Sie sind ein musischer Mensch. Das hat Marilou fasziniert. Sie wollte Ihnen imponieren. Aber wozu sollte das Mädel zeichnen, außer zum Zeitvertreib? Kein Reiffenstein war je begabt!«
Von draußen kündeten helle Stimmen den bevorstehenden Auftritt an. Mit einem flirtiven Blick beschlossen sie das aufschlußreiche Thema und wandten sich zur Tür, die in diesem Moment von der gelernten Hausangestellten aufgeschwenkt wurde. Die Kinder traten ein, selbstverständlich, ohne Scheu, stellten sich in angemessenem Abstand auf und warteten, bis Großmama den Part des Zeremonienmeisters übernahm.
»Das sind Victoria-Luise, genannt Vicki, und Isabella-Luise, genannt Sabsi, die achtjährigen Zwillinge. Das sind Eugenia-Theresa, genannt Gensi, und Maria-Theresa, genannt Thesi, fünf, ebenfalls Zwillinge, und last not least Henriette-Sibylla, genannt Hensi, drei Jahre alt und Großmamas Liebling. Sie sehen, wir sind ein Damenstift.«
Marie-Luise stand im Hintergrund, beobachtete ihn, sein Erstaunen, sein Verstehen, seine Freude schließlich über die geglückte Kollektion. Nach dem Handibatschi mit Hensi wandte er sich ihr zu, nickte bewundernd, und da sah sie ihn an wie früher, lang und ernst und am Schluß ein flüchtiges Lächeln.
Die Kinder setzten sich, und während die Mama ihnen Kuchen gab, drehte Lukas den Kopf zur Großmama und sah sie an, dankbar, wie man seinen Schutzengel ansieht, wenn man begreift, wovor er einen bewahrt hat mit seiner strengen Güte: vor lebenslänglicher Ehe ohne die geringste Chance, den Schenkungen eines exzentrischen Schoßes zu entrinnen, der jede kleinste Lust, jede Schwipslaune, jede Versöhnung fürstlich mit mindestens einem Kind belohnt.
Mama Eugenie, hab Dank! sagte sein Blick. Die Kinderchen sind reizend, doch aus dem Stall, der sich auf eine solche Vermehrung kommentarlos umstellen kann, bin ich nicht.
Es kommt immer anders als man denkt — hatte Lukas’ Mutter bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gesagt. Belustigt, daß ihm der Satz jetzt einfällt, stellt er fest: Heute mittag, als er den Flug buchte, schien das reine Selbsttäuschung zu sein; eben hat er die Karte abgeholt und läßt sich vom Drehtüroffizier (er ist nicht immer da) in die Halle schaufeln.
Der Portier reicht ihm den Schlüssel mit dem Totschläger und schaut, wohl zum hundertsten Male an diesem Tag, in ein Postfach, um zu sagen, daß niemand eine Nachricht hinterlassen habe.
»Ich reise morgen früh«, sagt der Gast von vierhundertelf. »Lassen Sie bitte die Rechnung schon für heute abend fertigmachen.«
»Vierhundertelf Départ!« meldet der Portier der Kasse mit eidgenössischem Accent fédéral. »Frühstücken Sie noch bei uns?«
»Wenn ich rechtzeitig geweckt werde...?«
Sogar in dem damenfreundlichen Spiegel des Lifts findet er sich schlecht und müde aussehend. Es riecht wieder nach Zigarre und im Korridor nach Putzmitteln.
Ab morgen herrscht Ordnung!
Die innere Abreise, das Abrücken der Gedanken von den Eindrücken hat schon begonnen. Ein Stubenmädchen grüßt. Vielleicht neu? Die meisten grüßen nicht. Mit seinem Universalschlüssel schließt es ein Zimmer auf oder zu. Er hat den Gruß, auf den er nicht gefaßt war, erwidert, schaut, während er seine Tür auf schließt, dem Mädchen nach. Solide tritt es auf, mit den Fußspitzen nach außen, als gehe es einen Feldweg entlang und nicht über dicke Teppiche. Der Schlüssel von vierhundertelf greift nicht gleich, muß ein paarmal hin und her gedreht werden. Es liegt wohl an
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