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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Platzhirschblick. Mama Eugenie vermeinte überspielen zu müssen. »Gerade hab ich von dir gesprochen.«
    Keiti entwickelte Frühstücksdirektorengewandtheit. Er bat den Gast, wieder Platz zu nehmen, stellte schnell und präzise formuliert die einleitenden Fragen nach Dauer des Aufenthalts, Eindrücken und Qualität des Hotels, wobei er Lukas unverwandt ansah und das Gespräch schließlich ins Persönliche hinüberleitete:
    »Genauso hab ich Sie mir vorgestellt.«
    »Wie?« fragte Lukas, dem der Mann und die Art gefielen.
    »So, wie Sie sind, Leger.«
    »Ich hatte keine Anhaltspunkte, Sie mir vorzustellen.«
    »Dann müssen Sie sich jetzt mit den Tatsachen abfinden.«
    »Das ist die Grundsituation, wenn man zurückkommt.«
    Der Platzhirschblick wandelte sich zum Schwagerlächeln. Es war, als kennten sie einander schon lange.
    »Da bist du ja!«
    Mama Eugenie hatte sich auf ein Geräusch zur Tür gewandt. Marie-Luise.
    Langsam, als wolle er die Erinnerung vor der Wirklichkeit bewahren, drehte Lukas den Kopf, streifte Keitis beobachtenden Blick, der auf ihm ruhte, und sah sie endlich an. Ihr Gesicht war schon, statuarisch voll, fraulich, der Standesdressur näher als der Vollendung.
    »Wie nett, der Herr Dornberg«, sagte sie wie eine Frühstücksdirektrice, zeigte Freude in dem Maß, das ihr gegeben war. Lukas schien es, als habe sie schon lange nicht mehr gelacht. Ihre Hand fühlte sich unpersönlich an, ohne den geringsten Funken der Vertrautheit. doch das störte ihn nicht; für den Reiz des Wiedersehens ist das unerheblich.
    Aufrecht setzte sie sich auf das zu aufrechtem Sitzen auffordernde Empiresofa. Ihr Oberkörper war makellos, nicht zuletzt durch aufrechtes Sitzen, die Brust den mütterlichen Erfordernissen nachgewachsen, die Taille nicht mehr die der Mädchenjahre. nach unten wurde sie ausladender. Die Schenkel wirkten schwer, die Fesseln geschwollen. Die Ursache für den weiten Rock, den sie trug, war ihm sofort aufgefallen, noch bevor sie sich setzte: ein exzessives, teigiges Hinterteil.
    »Zeichnest du noch?«
    Seine Frage ärgerte ihn. Er wollte das Gespräch eröffnen und ihm war nichts Besseres eingefallen. Der Brückenschlag mißlang auch; Marie-Luise schüttelte den Kopf, als wünsche sie keine Gemeinsamkeiten mit dem Mann, der mit ihr verbunden gewesen war, einen verspielten Sommer lang, der mit ihr im Gras gelegen hatte, in der Badewanne und in schlecht bewachten Betten. Der Mann, der sie ins Konzert begleitet hatte, ins Theater, zum Tee, zur Tante und hinaus aufs Land, mußte ein anderer gewesen sein. Kein sah ihn an; auf dem Flur tobten Kinder. Lukas nahm einen zweiten Anlauf.
    »Ich höre immer Stimmen draußen. Wann krieg’ ich denn die komplette Familie zu sehen?«
    »Später.« Marie-Luise sah ihn nicht an. »Erst trinken wir Tee.«
    Es klang nach Protokoll, und protokollgerecht war die gelernte Hausangestellte hereingekommen und hatte zwei silberne Kannen auf den Tisch gestellt. Mama Eugenie stand auf.
    »Setzen wir uns hinüber.«
    Marie-Luise und Keiti wechselten einen Blick, worauf er sich verabschiedete. Keiti mußte, wie er Mama Eugenie erklärte, zum Flugplatz, dann zu einer Wahlversammlung und anschließend noch zu schrecklichen Leuten, die nur über Snobismus zu politischer Vernunft zu bringen seien.
    »Das hört sich an, als ob Sie politisch-tätig wären.«
    Während er das sagte, glaubte Lukas zu bemerken, daß Marie-Luise das Thema nicht paßte. Keiti nickte ihm zu.
    »Es gibt eine ganze Menge Ärgerliches, das sich vom Zusehen nicht ändert. Ich bin ziemlich sozialistisch.«
    Marie-Luise saß kerzengerade und sah auf ihren Teller. Sie bekam Küßchen, Mama Eugenie ebenso, und Lukas einen Händedruck.
    »Wenn Sie wiederkommen, bitte rufen Sie an.«
    Lukas gab ihm seine Karte,
    »Und wenn Sie nach England kommen, rufen Sie mich an.«
    »Du lebst in England?«
    Marie-Luise sah ihn an, als habe er sich damit aufgewertet. An der Tür hob Keiti noch einmal die Hand, und sie lächelten einander zu wie Männer, die heimlich ausgemacht haben, sich später anderswo zu treffen. Mama Eugenie, der wenig entging, bemerkte nichts, weil sie sich in diesem Augenblick setzte. Lukas rückte ihr den Stuhl zurecht. »Gratuliere dir zu deinem Mann!« sagte er spontan.
    »Danke.« Das Wort hing in der Luft. Erst auf einen Blick von Mama Eugenie hängte Marie-Luise noch eine Floskel dran:
    »Er ist sehr vielseitig interessiert und hat eine besonders glückliche Hand mit den Kindern.«
    »Und wie

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