Erlebnisse eines Erdenbummlers
viel gelesen. In Damenkreisen weckten sie ein Feuer der Begeisterung für diesen afrikanischen Siegfried, und von mehr als einer Schönen wurde ich gefragt, ob der Held noch ledig sei und ob ich sie nicht mitnehmen wolle, wenn ich wieder zum Äquator reiste. Ich erinnere mich, daß ich damals viel versprach, vor dem Herd und hinter dem Herd, aber ich glaube, meine Wechsel wurden nicht mehr für voll genommen. Ich hatte nämlich zu der Zeit schon fast soviel Bücher geschrieben wie der Kollege Moses, und Bücherschreiberverlieren ihren Kredit beim Publikum. Trotzdem verbrach ich ein neues, und zwar das »Bauerngeselchte«. Als es kaum im Buchhandel erhältlich war, fuhr ich einmal nobel nach Heidelberg, und zwar zweiter Klasse unter Benutzung meiner Freikarte als Bahnarzt. Als ich in Weinheim ins Kupee gestiegen war, saß in der einen Sofaecke ein alter Herr und in der anderen eine Dame, deren Gesicht von einem mächtigen Spitzenhut überschattet war. Ich setzte mich den beiden gegenüber und machte mir aus purer Nächstenliebe Gedanken darüber, ob und durch welche Bande die beiden Mitreisenden allenfalls zusammenhängen könnten. Vater und Tochter? Sie hatten keine Ähnlichkeit miteinander. Mann und Frau? Sie saßen zu weit auseinander. Onkel und Nichte? Sie tauschten keine verliebten Blicke. Primadonna und Impresario? Sie war nicht herrschsüchtig, er nicht unterwürfig genug. Ein Rätsel lag für mich zwischen den beiden und außerdem ein Buch, das in eine Zeitung gewickelt war.
Zwei »Sachsen« waren am Wagenfenster vorübergeglitten und dem dritten mit Namen »Großsachsen« näherte sich der Zug, als die Dame einem augenblicklichen Impulse folgend zu dem Herrn sagte: »Das Buch gehört wohl Ihnen? Erlauben Sie, daß ich es einmal ansehe?«
»Ich bitte Sie darum, verfügen Sie über mein Eigentum. Den Inhalt kenne ich noch nicht. Ich hab' es vor einer Stunde erst in Bensheim gekauft, weil ich mich für seinen Verfasser interessiere und dessen frühere Bücherschätze. Er ist ein Bergsträßer und wohnt in der Station, wo wir zuletzt gehalten haben. A propos , mein Herr, sind Sie nicht in Weinheim zu uns gestiegen?«
»Ja.«
»Und sind vielleicht gar aus dem Städtchen mit dem Gerberlohgeruch?«
»Ja. J–ja.«
»Da müssen Sie doch wohl den Mann mit dem seltsamen Namen kennen, den Adam Karrillon?«
»Kenne ich gut genug, wohne in einem Hause mit ihm zusammen und seine Frau hat mir des öfteren schon den Kopf gewaschen.«
Der Herr machte große Augen und fragte: »Kopf gewaschen? Ihnen?«
Die Dame leckte an dem Schleier und fragte gleichfalls: »Ihnen?«
»Ja,« war meine Antwort.
»Wohl komische Leute die beiden,« nahm der Herr wieder das Wort. »Er trinkt wohl gern, wie ich mir hab' sagen lassen?«
»Tut er. Sie können ihn jeden Abend unter seinen Spießgesellen in den ›Jahreszeiten‹ treffen.«
»Ist er von bemerkenswertem Äußern, mich interessieren Schriftsteller?« so fragte die Dame.
»Er ist wie der Dreinweck, den man nach dem Dutzend beim Bäcker bekommt, ein Mensch wie andere mehr. Ich für mein Teil möchte ihn nicht, auch wenn ich eine Dame wäre. Übrigens, da halten wir schon in Friedrichsfeld.«
»Wahrhaftig, indes bis wir nach Heidelberg kommen, können wir uns ja noch manches erzählen,« sagte der Herr. »Ich habe den Doktor einmal, doch nur von hinten gesehen und kann mir deshalb kein klares Bild von ihm machen.«
»Nach seinen Büchern ist er ein Weiberfeind. Ist dem so?« unterbrach die Dame.
»Wieblingen, da hält's nicht,« sagte ich.
»Nein, wenn's wieder hält, sind wir schon in Heidelberg. Also antworten Sie schnell. Sie scheinen mehr zu wissen, als Sie sagen wollen. Wie steht es mit dem Schriftsteller, hat er wirklich für uns arme Damen nichts übrig?«
»Was soll ich da sagen? Sein Vorname ist Adam, und wenn Sie zufällig, was man nicht wissen kann, Eva heißen, so müßten Sie sich mit dem Apfel in der Hand einmal selber an ihn wagen. Aber ich bitte Sie, beeilen Sie sich damit, denn alleweil steigt er aus.«
»Was?« schrieen nun die beiden wie aus einem Munde. »Sie wären?«
Der Zug war in den Bahnhof zu Heidelberg eingelaufen.
Der Herr erfaßte meine Hand und schüttelte sie. Die Dame aber nahm mich am Arm und sagte:
»Ganz ungeschoren kommen Sie mir nun doch nicht fort. Hier, diesen Blumenstrauß tragen Sie zunächst einmal und dann dies Paket. Ihr Lohn soll für heute eine Loge im Theater sein. Ich komme von Frankfurt und singe den Heidelbergern eine
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