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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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haben?«
    »Doch, doch, Herr Doktor, ich wollt mich noch erkundigen, ob ich auch ins Feuchte greifen darf?«
    »Um Christi Barmherzigkeit willen, ja, wenn Sie keine Forellen stehlen wollen!«
    Nun merkte der Blechkopf doch, daß man ihn zum Besten hatte, und er drückte hinter seinem Rücken die Tür ins Schloß.
    »Und das ist nun unser Beruf, daß wir uns mit solchen moralisch zusammenregierten Menschen jahraus jahrein herumdrücken müssen! Ist das Produkt deutscher Sozialerziehung noch ein Mann, vor dem man Achtunghaben kann? Und sind wir Ärzte selber nicht Feiglinge, daß wir uns nicht aufzuraffen vermögen, um zu sagen: ›An dieser systematischen Demoralisationsarbeit, wie sie die Krankenkassengesetzgebung inauguriert hat, beteiligen wir uns nicht. Staat, mach was du willst, von uns aber bekommst du nicht ein einziges Attest mehr!‹«
    So und in noch heftigeren Worten hatte der Kollege seinem bedrängten Herzen Luft gemacht. Ich stand dabei, mußte seine Rede billigen, und doch saß ich eine Stunde später wieder an meinem Schreibtisch und schrieb die Leute arbeitsunfähig, von denen ich wußte, daß sie's nicht waren, und verordnete ihnen auf Kosten der Allgemeinheit allerlei, obwohl ich überzeugt war, daß es Geldverschwendung war. Warum tat ich es? Nun, weil ich gleichfalls schon moralisch angefault war, weil's die andern taten und das Bezirksamt drohend hinter mir stand:
    »Denn der Nacken wird gebrochen,
Der sich nicht gefügt den Jochen,«
    hieß es früher schon und heißt es heute noch.
    Wieder war einige Zeit vergangen, in der ich mich über Tags mit meinem Fahrrad auf der Landstraße herumtrieb, während ich in der Nacht immer noch mein totes Pferd benützte – man verstehe – wenn ich träumend durch die Wälder ritt. Aber merkwürdig, so munter traben wie früher wollte es nicht mehr. Kein Wunder auch, seit Monaten hatte ich ja keinen Hafer mehr gekauft, kein Heu mehr angeschafft, und doch verlangte ich von dem guten Tiere, daß es Tag für Tag seine Arbeittue. Verstimmt und von Selbstvorwürfen gequält, pflegte ich dann zu erwachen. Und so wie dazumal geht es mir heute noch in meinen Nächten, nur daß die Träume nicht mehr so häufig kommen wie früher. Vielleicht auch, daß dazumal mir das Pferd mehr im Sinne lag, weil das Auto dem Radfahrer den Besitz der Straße streitig machte. Das Tuten der Hupe hinter mir zu hören, war schon eine Aufregung. Man drückte sich an den Rand der Straße hin, soweit es ging. Dann rasselte das fauchende Ungetüm an einem vorüber, ein paar blaue Schleier im Winde zeigend und brutale Ballonmützen. Was es hinter sich ließ, war Staub und Gestank. Kein Wunder, daß einem die Kultur zuwider wurde, und daß man sich aus ihr hinaussehnte in einfache, paradiesische Zustände hinein.
    Mir bot sich die Gelegenheit, nach der Menschheit Uranfängen zurückzukehren. Eine Stelle als Schiffsarzt war mir angeboten. Ich griff zu und sollte über die Kanarischen Inseln hinweg nach dem Kamerunflusse fahren. Hamburg war unser Auslaufhafen. Ich sage unser, weil außer meinem Tagebuch meine Frau noch mit mir fuhr. Als sie mich an der Mole von Boulogne sur mer verließ, hatte ich schon mancherlei Notizen gemacht und was dann alles noch dazukam, findet – wer sich dafür interessiert – in dem Buche zusammengestellt, dem ich die Überschrift gegeben hatte: »Im Lande unserer Urenkel.« Heute würde ich diesen Titel nicht mehr wählen, aber heute ändere ich ihn auch nicht, weil ich hoffe, daß nach dem Gesetze der immanenten Gerechtigkeit dem die Erntegehört, der die Aussaat bestellt hat, und weil ich Vertrauen habe zu dem Worte:
    »Und würden – wend' das Gott – die Söhne
Nicht besser als die Väter wieder,
So sind sie uns'rer Schmerzentöne
Nicht wert und uns'rer Klagelieder.«
    Als ich schon wieder zu Hause war, brachte eines Tages der Briefträger ein Paket aus Berlin. Es waren zwei Bücher aus der Feder von Hans Dominik, und zwar: »Vom Atlantik zum Tschadsee« und »Kamerun.« Ein Briefchen lag bei, worin der Wunsch ausgesprochen war, daß wir uns »drüben« noch einmal wiedertreffen möchten. In Kamerun wird dies nicht möglich sein, denn der tapfere Held ist nach einem andern »drüben« abgereist. Seinen Leib beherbergt der Apostelfriedhof zu Berlin, seine Seele aber sollte weiterleben im Himmel und im deutschen Lied, sofern das Vaterland stark genug ist, noch einmal einen Freiligrath zu erzeugen.
    Dominiks Bücher verlieh ich oft in Weinheim und sie wurden

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