Erlebnisse eines Erdenbummlers
Gastrolle vor.«
Gut, ich übernahm bereitwillig das leichte Gepäck und den Arm meiner Reisegesellschafterin, und da sie wirklich nicht aussah, wie des Teufels Großmutter, so will ich keinem Bekannten grollen, wenn er mich in der Gesellschaft gesehen und sich allerlei dabei gedacht hat. Wie langweilig müßte übrigens das Leben sein, wenn es über die Komponenten der Menschheit Mann und Weib nichts mehr zu klatschen gäbe.
Nun, ich hab' es dazumal den lieben Nächsten an Stoff zu pikanter Nachrede nicht fehlen lassen und hatte sogar Phantasie genug, mit meinem Freunde Lederle zusammen noch allerlei Abenteuer zu erfinden, um dem »grünen Kränzchen« und dem »Verein der Unbescholtenen« eine Sonntagsfreude zu bereiten.
»Es stürzt der Fels und über ihn die Flut.«
er Vesuv regte sich einmal wieder und bedrohte Torre del Greco mit dem Schicksal von Pompeji und Herculanum. Potz Blitz, so was war nicht alle Jahre zu sehen wie das Kasperltheater. Auf also nach den Tyrrhenischen Gestaden hinunter. Mein Freund Kalbow war Feuer und Flamme, als ich ihm erzählte, wohin die Reise gehen solle, und seine Frau setzte sich sofort an die Nähmaschine und schneiderte an einem feuersicheren Mantelherum, weil sie dem Lavaregen mißtraute, den sie aus Bulwers »Letzten Tagen von Pompeji« kannte.
Genua erreichten wir, nicht ohne daß unsere Reisegenossin bereits den Vesuv zu riechen glaubte und die Fenster des Wagens schloß. Im »Aquila nera« erkundigte ich mich vergeblich nach der schönen Kammerzofe, die mir damals mit Zwirn und Nadel so hilfreich zur Seite gestanden hatte. Sie war spurlos verschwunden. Hätte ein Raffael sie auf ein Stück Leinwand gepinselt, so hätte ihr Gesicht in tausend Jahren noch die Menschheit nach irgendeinem Galeriezimmer locken können. So aber war's nichts mit ihrer Unsterblichkeit und meinem Fragen nach ihr. Punktum, sie war erledigt, und wir drei hatten eine andere Doktorfrage zu lösen, und das war die: Wie wir zwischen uns die Blutsverwandtschaft herstellten, die von der Navigazione generale italiana gefordert wurde, wenn uns die 33% Fahrpreisermäßigung zuteil werden sollten, die die Gesellschaft gewährte. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns dahin, daß Herr und Frau Kalbow bleiben sollten, was sie waren, ein Ehepaar nämlich, ich aber sollte den Schwiegervater mimen. Zu diesem Zwecke lernte ich von »ihm« das Walli-Sagen und traktierte von jetzt ab »sie« mit dem allerväterlichsten Du, das sich einer nur ersinnen mag, wenn er sich und andere täuschen will. Beim Generaldirektor der Schiffsgesellschaft gelang das Manöver. Als wir aber auf den Dampfer Letimbro kamen und der Kapitän mit mißtrauischem Gesichte Frau Kalbow fragte: »Was sind Sie für eine Geborene,« da glaubte ich schon,es werde »Pusch« herauskommen. Allein sie besann sich noch im letzten Moment und sagte mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht: »Herr Kapitän, wer wird so neugierig sein. Man schätzt eine Dame ab nach ihrem Aussehen, nicht nach ihrem Namen.«
Da schmunzelte der alte Seelöwe ein wenig und bemerkte: »Mit welchem von den beiden da wünschen Sie nun die Kabine zu teilen?«
»Mit dem da,« erwiderte sie und hing sich in den Arm ihres Mannes.
»Und Sie sind nun der monsieur seul und bekommen die Kammer hier neben der Friseurstube,« bemerkte der Alte noch, strich seinen Schnauzbart über die Lippen und ging nach der Kommandobrücke.
Wir waren untergebracht. Unserthalben konnte es losgehen, und es ging auch los. Bald schwanden hinterm Achterschiff die ligurischen Berge, und im Vorblick stieg Korsika aus dem Meere herauf, dies Inselchen, das ein kleiner Mann zum berühmtesten Eiland der Erde gemacht hat.
Die Nacht brach an, und der Speisesaal wurde erleuchtet. Wir kamen beim Essen in die Nähe des Kapitäns zu sitzen, wie ich glaube, nicht meinetwegen. Der Biedermann wußte das Schöne zu schätzen, und das Schöne bedankte sich bei dem Starken mit klugen Reden, die aus allen Gebieten menschlichen Wissens zusammengesucht waren. So verlief die Unterhaltung gar belehrend für mich, und ich erfuhr nebenbei aus dem Gerede der Frau Kalbow, daß es in DeutschlandOlivenbäume gibt, die an den Bächen hinwachsen, keine Früchte tragen und vom Volke Weiden genannt werden.
Am nächsten Morgen schon liefen wir den Hafen von Livorno an. Wir benützten den vielstündigen Aufenthalt, um nach Pisa zu fahren, den schiefen Turm zu besteigen und das berühmte Echo im Baptisterium zu bewundern. In
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