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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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du das Land, wo die Zitronen blühn?«
    Bei meiner Seele, da fahren die Leute nach Frankfurt und Karlsruhe in die Theater und geben vieles Geld für gute Plätze aus und zu Hause kann man manchmal den größten Kunstgenuß rein umsonst haben. Sie hätten da sein sollen, Kollege, zumal es hintennach noch viel zu verbinden gab. Ich sage Ihnen, Nadeln habe ich an diesem Freudentage gelegt, mehr als sonst in einem ganzen Jahr. O, es ist eine Wonne, zu sehen, wie erbärmlich sich da die Helden krümmen, wenn sie den, furchtbaren Nadelhalter sich ihren Siegerstirnen nähern sehen.
    Aber kommt da nicht eine angeschwebt von den Heldenseelen? Wahrhaftig der Hauptkrakeeler ist es aus dem Scharmützel, passen Sie auf, eben geht er über die Brücke und dem Spital zu. Er wird verbundensein wollen. Kommen Sie mit, kommen Sie mit ins Verbandzimmer, den müssen Sie flöten hören.«
    Der Kollege Roder, heute längst schon vermodert mitsamt seinem Zampa, hatte mich am Arm gepackt und zog mich hinter sich her ins Krankenhaus hinein.
    »Nun aber ernst und die Berufsgrimasse geschnitten, damit der Zeisig singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.«
    Im Sprechzimmer angekommen machten wir Augurengesichter zu einem feierlichen Schweigen, zogen die Röcke aus und wuschen die Arme bis zur Achselhöhle hinauf. Als wir uns mit Seifeverschwendung ein genügendes medizinisches Ansehen verschafft hatten, wandte sich der Kollege um und sagte mit verwundertem Tone:
    »Ei, was seh ich, Herr Liebermann, Sie auch noch einmal hier. Ich glaubte, daß Sie längst wieder vor der Werkbank ständen.«
    »Was Sie da sagen? Vor der Werkbank? Mit so einem Kopp und gar keinem Appetit im Leib. E' leerer Sack bleibt doch nit stehen; Sie wisse das als studierter Mann so gut wie ich. Und wie's einem is, der nichts im Magen hat, und dazu bei den armen Leuten, auf deren Teller selten einmal was von einem Schweinshinterviertel kommt! Und dann, warum auch soll ich mich überschaffe? Sie müssens ja bezahlen, die Käfferthaler, sie warn's ja auch, die angefangen haben. Soll ich denn jetzt nichts dafür haben, wo ich doch die ganze Lyra von ihrer Fahnenstange als Narbe auf meinem Kopf rum trage? Wo blieb denn da die Gerechtigkeit?Beim Affekat war ich schon. Er hat gesagt: In 'n Bad sollten Sie mich schicken.«
    »Damit Sie mal gewaschen würden,« unterbrach Roder den Sprechenden.
    »Deshalb? Nein, da braucht ich's nit. Ich bin mir sauber genug. Werktags das Gesicht und Sonntags den Hals gewaschen. 's ist dessentwegen, daß die Käfferthaler sehen, an wem sie sich versündigt habe. Na, ich will denen schon n' Rechnung z'samme flicke! Mei Hemd müsse se bezahle, mein Rock, mei West, mei Hose bis auf die Stiefel runter. Überall sinn die Blutflecken, und die Blutflecken, die gehn, das wissen Sie ja auch als studierter Mann, gar nimmer 'raus aus em Zeug.«
    »Nu mache Sie aber das Tuch vom Kopf herunter, daß wir die Narbe sehen,« brummte ich dazwischen.
    »Zu sehen ist da dran nichts. Ich hab's zugebunden, damit die Luft nit dran kann, und dann es könnt einem ja n' Käfferthaler begegnen! Die solle sich nur en Augenspiegel da dran nehmen, was sie angestellt habe! Dann die innerliche Schmerze! Ich sag's Ihnen ja, die innerliche Schmerze, die kann man keinem beschreiben.«
    »Mit dem Tuche mögen Sie künftighin Ihre Nase putzen. Auf dem Kopfe haben Sie's nimmer nötig, und morgen, denk ich, fangen Sie wieder an zu arbeiten,« sagte der Kollege kurz.
    »Auf Ihre Verantwortung hin will ich's wagen. Meinetwegen. An mir liegt ja nichts. Aber Frau und Kinder, die könnte mich dauern, wenn e Rotlauf an meinKopf kommt. Und nur noch, Herr Doktor, die Scheine fürs Rathaus habe Sie doch gut ausgefüllt? Zum erstenmal ist's, daß ich seit einem Vierteljahr die Krankenkasse in Anspruch nehme. Un nu will ich's halt in Gotts Namen probieren, ob ich morgen arbeiten kann. Wenn's nicht geht, so komm ich halt übermorgen wieder.«
    Er ging, und als er draußen war, machte der Kollege hinter ihm her ein Kreuz in die Luft. »Dem Himmel sei's gedankt, daß wir ihn los sind,« sagte er.
    Aber er war ihn nicht los. Die Tür ging nochmals auf, und wer stand auf der Schwelle? Der Schwerverletzte vom Sängerstreit.
    Roder rang nach Fassung. Ich sah ihn bleich werden. Aber es gelang ihm, die innere Wut niederzuringen, gelang ihm so weit, daß er sogar in sanftmütigem Tone fragen konnte: »Nun, Herr Liebermann, Sie sind schon wieder da. Sie werden doch hoffentlich nichts zu fragen vergessen

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