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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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sich die Zähne putzte und gurgelte.
    Eine Stunde später, und wir standen im Purpurrot der Morgensonne auf der Furka oben und sahen nach dem Reußtal hinunter. Hospental und Andermatt brachten wir in raschem Ausschreiten bald in unseren Rücken, und nicht lange mehr und auf dem Bahnhofe zu Göschenen standen wir vor dem lorbeerbekränzten Dichtergastwirt. Er hatte einen Bleistift hinterm Ohr stecken, schöpfte Suppe aus einem Kessel in Porzellanteller hinein und glich weder dem Tasso noch dem Horaz. Ich war fast peinlich überrascht von der Tatsache, daß man prosaisch aussehen und doch ein Dichter sein könne.
    Da man aber die Lokomotive schon schnaufen hörte, die den Zug von Wasen nach dem Tunnel hinaufarbeitete, so ließen wir uns statt der Autogramme vom Dichterwirte Hammelkoteletts geben und fuhren dann durch den Tunnel hindurch den lombardischen Gefilden entgegen.
    Vierzehn Tage lang trieb ich mich mit dem Schulmanne zusammen noch zwischen Como und Pallanza herum. Dann als ich sicher war, daß der Bäcker nichtmehr in meinen Träumen spukte, wagte ich es, an die Heimreise zu denken. Mit mir nach dem Norden zurück nahm ich den Vorsatz, daß ich künftighin keinen mehr für einen Unteroffizier halten wolle, der einen roten Schnurrbart trägt, und keinen mehr für einen Garkoch, wenngleich er einen Suppenlöffel schwingt.

»Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.«
    iner meiner ersten Ausgänge in die Stadt ließ mich mit dem Doktor Roder zusammentreffen. Der Leser fragt: »Wer ist der Mann,« und er soll Antwort haben. Er heißt mit dem Vornamen Georg und hat mit seinem heiligen Patron, dem Drachenspießer, die herkulische Gestalt und mit Johannes Gensfleisch, dem Mainzer Buchdrucker, den langen Bart gemeinsam. Der Herr ist nicht denkbar ohne einen Bullenbeißer an seinem linken Wadenbein, der gegen alles, was weich und katzenhaft war, eine todbringende Abneigung hatte. Roders Äußere und seinen Umgang kennen wir nun. Sein Inneres war komplizierter. Es war ein Mosaik aus frommem Bibelglauben und Schopenhauerscher Philosophie.
    Außer dem Futterneid besaß er alle Eigenschaften, die für einen guten Arzt erforderlich sind. Er roch nichts, war schwerhörig und von gediegener Gefühllosigkeit.Die ärztliche Praxis betrieb er teils, um sich doch auch einigermaßen nützlich zu machen, und teils, um sich die Langeweile zu vertreiben, wenn er keine Gelegenheit hatte, im Kaffeehaus den Juden beim Franzzefußspiel in die Karten zu schauen.
    Als dieser seltene Mann meiner ansichtig geworden war, kam er auf mich zu, schüttelte meine Hand und rief im Tone eines herzlichen Willkommens aus: »Sind Sie zurück, Herr Kollege, und haben Sie sich müde gesehen an diesen eidgenössischen Käseproduzenten? Schade, daß Sie nicht hier waren. Unendlich vieles haben Sie versäumt. Denken Sie nur, die Stadt hat einen Sängerkrieg veranstaltet. Ehrenpforten waren gebaut, und die Leute hatten, als die Tagesreveille erschallte, ihre Häuser bekränzt, der Bürgermeister aber sich selber mit einer goldenen Kette. Ja, es war alles sehr ernst und feierlich zugegangen unter den Augen einer hohen Behörde bis zum Abend wenigstens. Da allerdings waren nach der Preisverteilung kleine Differenzen entstanden unter den Vereinen. Die Leutershauser wollten schöner gesungen haben als die Käferthaler. Vökelsbach und Kreckelbach nahmen für die eine Seite Partei, Schnornbach und Hornbach für die andere. Als man sich in Worten nicht zu einigen vermochte, nahm man die Vereinsbanner und schlug sich gegenseitig die Köpfe blutig. O das hätten Sie sehen sollen, Kollege, es war, um sich krumm zu lachen. Ich hatte mich in der Festhalle mit meinem Zampa auf einen Tisch hinaufgerettet. Wie ein Meer schäumte unter mir die empörteVolksseele und mein Hund bellte dazu aus Leibeskräften. Fäuste, Stöcke, Schirme erhoben sich über dem vielköpfigen Ungeheuer, Pöbel geheißen, und sausten mit den Fahnenstangen um die Wette nieder auf alles, was da im Nahkampf biß, kratzte und würgte. Nein, Sie können sich nichts Lieblicheres denken als die Masse in ihrer urwüchsigen, unverzogenen Natürlichkeit. Und zuletzt als harmonischer Abschluß des Ganzen, stellen Sie sich einmal vor, da trat ein Skelett von einer Müllerstochter, als eben die Helden kampfesmüde sich aus der Schlacht zurückzogen, auf die Tribüne und sang aus einem Halse länger wie eine Gänsegurgel heraus in getragenen Fisteltönen das Lied der Sehnsucht:
    »Kennst

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