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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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Winterlandschaft hineinrannte! Der Schnee stäubte wie ein Silberstrahl unter den Kufen heraus, und das Schellengeläute klingelte melodisch. Man hätte singen mögen oder sonst was Verrücktes beginnen. Der Richter neben mir lachte in einem fort und erzählte Schnurren. Als er einmal einen Eideshelfer brauchte, um eine gewagte Behauptung glaubhaft zu machen, wendete er sich nach hinten um, indem er sagte: »Nicht wahr, Herr Sekretär?«
    Aber o Wunder, wo war da noch ein Sekretär? Fort war er, rein fort, von der Erde verschwunden und mit ihm zugleich mein Knecht und o wehe, auch das Hinterteil meines erborgten Schlittens. Keine Frage, wir zwei Vorderbliebenen hätten Grund zum Weinen gehabt. Statt dessen lachten wir nur. Lachten, daß uns die Tränen über die Wangen liefen und die Knöpfe von den Hosen sprangen.
    Als wir einigermaßen wieder normal zu denken anfingen, fragten wir uns, was hier wohl nun zu tun wäre? Zurückfahren und die verlorenen Brüder suchen, hatte keinen Sinn. Wir mußten annehmen, daß sie nicht im Winterschnee liegen geblieben waren, um zu warten,bis einer kam, der sie zusammenkehrte. Ein Settenpfad führte außerdem als näherer Weg über die Wittgemark nach Rockenhausen. Den hatten die verlorenen Söhne sicher mit gutem Mut oder der Not gehorchend eingeschlagen. In dem tiefen Schnee konnten sie nicht hart gefallen sein. Und die Hintere Schlittenhälfte? Nun die hatten sie wohl aus der Fahrbahn geschleift und im Felde liegen lassen, wo sie einstweilen verweilen konnte. Sie war zu minderwertig, als daß sich einer hätte daran vergreifen können! So dachten wir und retteten unter Lachen uns wieder in den Torso unseres Fahrzeugs hinein. Wie feurige Augen blitzten uns die Fenster der Rußmühle entgegen.
    Kaum gegrüßt lag sie hinter uns, und das Forsthaus der Wittgemark mit seinen weißen Mauern vorm dunklen Walde lag an unserer rechten Seite.
    Damit war der höchste Punkt der Straße erreicht. Es ging ins Alsenztal hinunter. Wie breite Gräben legte sich der Schatten alter Pappeln über die Chaussee. Das Pferd stutzte einen Augenblick, nahm dann einen kräftigen Anlauf und schwups war die Kiste über das vermeintliche Hindernis hinübergeschleudert. In einer Dampfwolke raste der Renner ins Tal hinunter, kaum war er in den Zügeln zu halten. Uns, den Insassen des Schlittens, konnte alles nicht schnell genug gehen. Wir wollten zu Hause beim Vater Dietz hinterm Glase sitzen, wann die verlorenen Brüder ankamen. Die erste Dorflaterne war erreicht. Die menschenleere Straße tat sich auf. An der Kirche vorüber mit dem roten Schimmerihrer ewigen Lampe, dann um die Hausecke des Tuchhändlers und der Schlittenrest stand, wo er hingehörte, vorm Brauhaus meines Hausherrn. Das Pferd fühlte die Nähe seines Stalles und schüttelte sich mit Behagen, wobei die Schlittenglocken wie ein Schellenbaum einen Massenton von sich gaben, der seinerseits den Herrn Dietz herbeirief. Die gedrückte Gestalt stand im Mondschein da wie ein Wichtelmännchen und der Kleine wußte nicht, ob er weinen oder lachen solle, als er das beaugenscheinigte, was von seinem Besitze aus der Fremde heimgekehrt war. Nach kurzem Besinnen tat er, was wir zwei andern auch taten, er lachte, nahm das Pferd am Zügel und führte es in den Stall, während der Richter und ich uns in die Wirtsstube begaben, als die Uhr eben zum elften Stundenschlag aushob.
    »Ehe eine Viertelstunde vergeht, ich kenne meinen Sekretär, werden wir Gesellschaft haben,« sagte der Oberrichter und schraubte seine Jagdpfeife zusammen. Er hatte richtig geweissagt. Ein Poltern auf dem Hausgang, die Tür ging auf und zwei lachende Gestalten standen auf der Schwelle.
    »Na, so ein Gelump von einem Schlitten, Doktor, hätt' ich einem Hinkelkrämer zugetraut, aber sicher keinem Arzte. Sinds froh, daß wir zwei mit heilen Knochen davongekommen sind. E paar Jahr Zuchthaus hättens sicher gekriegt, wenn einem von uns zwei der Atem ausgegangen wäre.«
    Damit waren die Vorwürfe erschöpft und es begann ein lustiges Trinken bis zum Morgengrauen.
    Ach dieses Morgengrauen! Es wurde noch grauer, als ich zu meiner Frau an den Kaffeetisch kam. Natürlich wußte sie bereits alles, ja mehr als alles. Sie wußte, daß der Unfall nicht gekommen wäre, wenn wir nicht betrunken gewesen wären. Daß wir jetzt die ganze Schande hätten und Herr Dietz nur einen halben Schlitten. Nun möge ich nur sehen, wie ich mich durch den Schnee durchschlängelte. Sie würde keinen Finger krumm

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