Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
Vom Netzwerk:
ruhig sein! Gewiß, euch bringt das Christkind nichts, wenn es hört, wie ihr euch aufführt.« Ein kleine Pause war wohl ob dieser Rede eingetreten. Dann aber ging draußen das Geschiebe von neuem los. Die Kinder mußten sich zu einem Klumpen ineinander verstrickt haben. Man hörte ein verschwommenes Stimmengewirr und ab und zu ein dumpfes Aufschlagen, wenn das Konglomerat wider die Stiege fiel oder die Nebentür. Frau Dietz hatte gerade einen Pantoffel in der Hand, rannte vor und ließ ihn durch die Türspalte hindurch auf den Schädeln ihrer Nachkommenschaft herumtanzen.
    »Au, au!« klang es von dem Vorplatz her und dann konnte die Keilerei ihren Fortgang nehmen.
    Der Rauschgoldengel war auf der Spitze des Bäumchens angebracht, und ein Schellchen bimmelte mit magerem Klang.
    »Kommt's jetzt!«
    »Ist das Christkind da?« erschallte ein vielstimmiger Kinderchor vom Gange her und dazwischen hinein in die Sphärenharmonie das: »Mama, der Lorenz hat mir ins Gesicht gespuckt.«
    Wieder wollte das bewegliche Klagen meiner Hausfrau über ihre muntere Nachkommenschaft anheben, als ich sagte: »Aber Frau Dietz, wir sind ja nun soweit fertig. Die Geschenke sind aufgestellt, und ich meine, wir dürfen die Kinder nicht länger hinhalten,« und ich rührte eigenmächtig die Schelle.
    Alle Wetter, wie's nun aber da an der Stubentür lebendig wurde. Ein Schlagen, Kratzen, Treten gegen die Füllungen hub zu gleicher Zeit an. Dies Gedränge wurde lebensgefährlich, und als die gute Mutter die Tür aufsperrte, so fehlte wenig, und sie wäre von ihren Sprößlingen über den Haufen gerannt worden. Ich selber rettete mich eben noch aufs Kanapee hinauf, als das Rudel der gierigen Wölfe heranstürmte. Im Nu war der kleine Tisch mit seinem Tannenbäumchen umringt, und es begann ein wütendes Kämpfen um die einzelnen Beutestücke.
    Was Konrad am Kopf gefaßt hatte, hielt Lorenz am Hinterteile fest, bis die Baumwollbibermenagerie ihre Sägmehleingeweide über Lebkuchen und Buttergebackenes verstreut hatte.
    Die Mutter war machtlos geworden. Verzweiflungsvoll sah ich sie die Hände ringen, während ich mir vor Lachen nicht zu helfen wußte.
    So trieben denn die Dinge, da niemand eingriff, der Katastrophe uferlos entgegen. Die Kinder hingen wie ein Weißdornhag ineinander. Es gab nur noch eine Massenbewegung der sieben Körper und die war ausgiebig genug, um Tischchen, Christbaum und Kinder alles auf einen Haufen zu legen.
    Nun konnte ich nicht länger meine wohlwollende Neutralität bewahren. Sollte nicht Europa in Flammen aufgehen, so mußte ich vom Sofa herunter und löschend zwischen die brennenden Wachslichter hinein.
    Während ich dies tat, war Frau Dietz in die Wirtsstubegeeilt und hatte ihren Mann zu Hilfe gerufen. Das kleine, verwachsene, aber energische Männchen erschien wie Jupiter, nur anstatt des Blitzebündels mit Bierschläuchen in der Hand. Und nun ging es, einerlei wo es beim einzelnen hintraf, Schlag um Schlag auf das Bündel Menschenleiber herunter. Aber da waren dem Klumpen nun plötzlich viele Beine gewachsen. Es fing an zu krabbeln und, hast du nicht gesehen, in der Zeit von einer halben Sekunde war die ganze Dietzsche Deszendenz unter die elterlichen Betten verkrochen. Als der Hausherr nichts mehr vor sich sah, worauf er hätte niederhauen können, verschwand er zu seinen Bockwürsteln hinüber, während seine Gattin im Scheine der pendelnden Hängelampe stand und sich von ihrem Schrecken langsam erholte.
    Inzwischen waren am Rande der Bettstellen, wie zu einem Eierstab geschnitten, Kopf an Kopf erschienen. Vorsichtig und verschüchtert um sich blickende Augen sondierten, ob die Luft rein sei. Als dies so schien, kamen Schultern nach, und zu guter Letzt standen alle Kinder wie die sieben Arme der Schabbeslampe vor der Mutter. Diese hielt nun ihrem Nachwuchs eine gepfefferte Weihnachtsrede, an deren Schluß sie den Sündern erklärte, daß sie samt und sonders vom Mitgenuß der Abendmahlzeit ausgeschlossen seien. Dieses Gottesurteil nahmen die Kleinen mit Resignation hin. Sie konnten ohne Atzung bleiben, denn was von den verkrümelten Lebkuchen und dem Buttergebackenen noch zwischen ihren Fingern hing, konnte für eine vollwertige Mahlzeit gelten.Die Wirtin, meine Frau und ich hatten uns einstweilen um ein Hasenragout gesetzt. Obwohl es mir gut schmeckte, sah ich doch fortwährend über den Teller hinweg nach den Kindern. Sie hatten sich um den Ofen herum in einem Kreise niedergelassen und waren eifrig damit

Weitere Kostenlose Bücher