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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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machen, um mir zu helfen.
    Indessen setzte sie sich an den Tisch und fing an zu schreiben. Als sie die Stimme unseres Metzgers in der Küche hörte, ließ sie die Feder fallen und eilte aus dem Zimmer. So hatte ich Gelegenheit, einen Einblick in ihre Schriftstellerei zu gewinnen. Trotz der Drohung, keinen Finger für mich krumm zu machen, hatte sie an ihren Vater geschrieben und ihm klar zu machen versucht, daß zu Hause zwecklos ein neuer Schlitten in der Remise stehe, während er im Alsenztale fehle und durch seine Abwesenheit einen jungen, hoffnungsvollen Mann an den Rand des Grabes bringe.
    Als sie wieder in die Stube kam und mich mißtrauisch ansah, tat ich so, als ob ich mit meinen Kleidern an dem Firniß des neuen Kleiderschrankes angepappt wäre und ließ mich von ihr vorsichtig loslösen, auf daß es ja kein Loch in den Anzug gäbe.
    Drei Tage später stand ein eleganter Schlitten vor meiner Wohnung. Die Freude über seine Gegenwart war groß, aber sie währte nicht lange.
    An einem Samstag ward ich nach dem Dorfe Dörrmoschelgerufen. Ein rauher Wind strich über die Höhen hin und verwehte die Spur, die der Schneeschlitten am Tage vorher gewühlt hatte. Ruhig und geduldig ging mein Roß seine Straße, denn zum Glück fuhren wir vor dem Winde her. So erreichten wir Dörrmoschel ohne Zwischenfall. Als wir aber den Heimweg antraten, änderte sich die Lage. Wir fuhren in den Sturm hinein und alles, was er an Schnee und Eisnadeln mit sich trug, raste uns mit brutaler Rücksichtslosigkeit in die Augen hinein. Ein ewiges Zwinkern mit den Lidern ermöglichte mir eben nur, die Richtung unseres Weges zu bestimmen. Auf der Straße waren wir freilich nicht immer. Ich merkte dies an dem Geschnaufe des Rosses und an seinem Stolpern, wenn es in eine Ackerfurche trat. Aber ich fuhr halt zu und in ein unendliches Grau hinein, das hinter dem Scheitelpunkt der Straße lag. Da mit einem Male bemerkte ich in dem Nebelvorhang eine dunklere Tönung. Der Flecken wurde kompakter und nahm die Form eines Weibes an, das mit einem Korb auf dem Kopfe verzweifelt gegen den Sturm anging.
    »'s ist die Dörnbacher Aufkäuferin,« sagte ich zu mir selber. An ihren Hüften erkannte ich sie und an den tausend Falten ihres Tuchrockes. Nun war es mein Bemühen, der Wackeren näher zu kommen und sie aus ihren Schwierigkeiten zu erlösen. Bald hatte ich sie erreicht, und sie machte ein überglückliches Gesicht, als ich sie einlud, ihren Korb in den Schlitten zu stellen und sich selber an meine Seite zu setzen. Mein Pferd freilichschien mit der Zumutung, zwei weitere Zentner ziehen zu müssen, nicht ganz einverstanden zu sein. Es blies heftig durch die Nasenlöcher, doch es zog, vielleicht, weil es dachte: »Gleich bin ich auf der Wasserscheide und dann, wenn es ins Tal hinuntergeht, sollt ihr sehen, was ich mit euch anfange.«
    Die Höhe kam und ich hatte das Pferd vom Ackerlande weg dahin gelenkt, wo ich die Straße vermutete. Als nun das Tier den ebenen Boden unter sich fühlte, warf es sich mit Gedankenschnelle ins Geschirr und sauste schneller als es sich ein Mensch vorstellen kann, mit uns gegen Dörnbach hinunter. Die Bäume an der Straße tanzten nur so vor meinen Augen, und die Telegraphenstangen walzten mit.
    Warum hatte sich die Aufkäuferin ängstlich in meinen linken Arm gekrallt, wo es doch so lustig zuging? O sie wollte nur einen Teil ihrer Angst auf mich herüberleiten, weil sie keine Zeit fand, dieselbe hinauszuschreien. Wer weiß, was meine Ohren hätten ertragen müssen, wenn ihre Zunge gelöst gewesen wäre. Vielleicht wäre ich verrückt geworden und Pferd und Fuhrwerk wären über die zur Linken gähnende Böschung hinabgestürzt. So aber war ich doch in der höchsten Not noch entschlußfähig, und als wieder einmal eine hohe Schneewehe kam, riß ich das Pferd plötzlich nach rechts herüber in der Hoffnung, es möge in dem weichen Haufen stecken bleiben.
    Gut gemeint war die Geschichte. Aber der schönste Feldzugsplan garantiert nicht immer den Sieg. Wohltat der Gaul den ersten Schritt in die weiche Masse hinein, dann aber warf er den Körper nach links.
    Der Schlitten geriet in eine schiefe Lage und leerte den Korb, die Aufkäuferin und meine Wenigkeit in den Schnee hinein. Ich lag auf dem Bauch und, den Kopf erhebend, konnte ich eben noch sehen, wie mein Roß mit dem umgekehrten Schlitten ins Tal hinunterraste und der Brücke entgegen, die über den Dörnbach führte. »Dort an der Steinbrüstung,« so dachte ich mir,

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