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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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beschäftigt, das wieder ganz zu machen, was sie vorher zusammengerissen hatten. Da mußte ein Rad an einem Wägelchen repariert, einem Pferde der Schwanz angepappt, einem Hanswurst aufs neue der Bauch mit Seegras gefüllt werden. Bei all diesen Werken christlicher Nächstenliebe halfen sie einträchtiglich zusammen. Sie waren beschäftigt, befriedigt und überselig am Weihnachtsabend.
    Als ich später mit meiner Frau im zweiten Stock allein war, legte ich dieser die Frage vor, ob es denn nicht besser wäre, wenn die Eltern ihren Kindern die Spielsachen von vornherein im zerbrochenen Zustand überreichten.
    Die Gattin mochte von meinen Ansichten nichts wissen. Ich aber legte mich zu Bett mit dem Bewußtsein, daß ich nie einen schöneren Christabend erlebt hatte wie diesen.
    Am ersten Weihnachtstage lag Schnee, und zwar lag er meterhoch an Stellen, wo ihn der Wind zusammengeweht hatte. Ich war nach Schönborn gerufen worden und hatte meine liebe Not, mich mit meinem Pferde auf die steile Höhe hinaufzuarbeiten, auf der dies Nest lag. Als ich gegen Abend mein Rößlein schweißtriefend nach dem Stalle zog, meinte mein Hausherr:
    »Sie sollten einen Schlitten haben.«
    Gewiß sollte ich das, aber woher einen solchen nehmen, zumal da es mir gar sehr an Geld fehlte. Ich machte also dem Herrn Dietz gegenüber ein sehr vieldeutiges Gesicht, und er war der Mann, der sich aufs Lösen von Bilderrätseln zu verstehen schien.
    »Ich habe einen Schlitten,« stieß er unvermittelt hervor, »nur daß er unterm Heu sitzt. Wenn morgen früh der Knecht Ziemer kommt, so wollen wir sehen, ob wir ihn ausgraben können.«
    Der Ziemer kam am anderen Tage und das Exhumieren begann. Als das duftende Heugrab erbrochen war, Himmel, welch ein Lazarus stand da vor mir! Es waren die fossilen Reste einer vorsintflutlichen Bettlade, was man da auf zwei Schlittenkufen genagelt hatte. Staat war mit dem Möbel nicht zu machen. Aber da ein zerrissener Strumpf besser ist als gar keiner, so empfahl ich dem Himmel meine Seele und spannte mein Rößlein vors Geräte; und es ging wahrhaftig. Ja es ging nicht einmal allzu schlecht.
    Der Schnee war auf den Chausseen niedergefahren, und die Kälte hatte ihn zu einem glatten Pflaster umgeformt. Darüber hinweg sauste mein Rößlein vom Schellengeläute seines Halsringes angefeuert mit Windeseile. Ein paar Teppiche, die malerisch um die schäbige Kiste herumdrapiert waren, gaben dem Fuhrwerk ein schier feudales Aussehen und ließen mich selber, über den Sitz gegossen, in einer schier beneidenswerten Lage erscheinen. Ich nehme das an, weil hier und da neben der Fahrspur der und jener im Schnee stand, und so einGesicht machte, als ob er mitfahren würde, wenn eine Einladung an ihn erginge. Gewiß: wer die innere Struktur meines Fuhrwerkes nicht kannte, konnte sich, von seinem Äußeren geblendet, ihm anvertrauen, und das taten eines Abends auch in ihrer Verblendung der Amtsrichter von Rockenhausen und sein Sekretär.
    Noch steht sie vor mir die schöne Vollmondnacht, in der ich über die Wittgemark ins Münstertal fuhr. Der Schnee weinte unter den Schlittenkufen, und in den Dörfern zwinkerte durch die Fensterscheiben ein blutrotes Licht auf die Straße heraus. So war's in Würzweiler, das ich soeben passiert hatte, und in Gerbach, dem ich mich nahte, war's geradeso. Plötzlich, als ich eben am »Ochsen« vorüber will, wird ein Fenster aufgerissen und eine bekannte Stimme ruft mir zu:
    »Wonaus so spät noch, Doktor? Könnten Sie auf dem Rückweg nicht halt hier vorm Wirtshaus machen und uns mitnehmen?«
    Der Rufer war mein Skatgenosse, der Richter Graf. Froh war ich, daß ich dem braven Mann einen Gefallen erweisen konnte. Ich machte also meinen Krankenbesuch im Dorf, dann ging's zurück und dem »Ochsen« entgegen.
    In der Wirtsstube saß am runden Tisch mit seinem dicken Sekretär zusammen der allmächtige Gerichtsherr. »Wenn wir doch jetzt fahren können, so verschlägt es nichts, wenn wir noch eine Flasche trinken,« brachte der wohlbeleibte Herr in Vorschlag. Und es widersprach ihm niemand. Aus einer Flasche wurden zwei. Magsein, daß es auch fünfe wurden. Um nicht lange nachzählen zu müssen, will ich nur berichten, daß wir unter weinseligem Gelächter die alte Arche bestiegen. Neben mir auf dem Vordersitz hatte sich der Amtsvorstand eingerichtet, sein Sekretär und mein Kutscher hinter uns auf dem Rücksitz. Der Mond guckte uns heiter zu und ich fuhr los.
    Wie das Pferd in die weiße

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