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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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ist unheimlich und dunkel. Licht brennt hier und da hinter einer Scheibe.
    Die Straße steigt. Sie will aus dem Alsenztale herauskommen.
    Das Pferd geht seinen Schritt in der Scherendeichsel. Ein Wind hat sich aufgemacht und schiebt das Chaischen hinter dem Tiere her. Große Regentropfen trommeln aufs Lederverdeck. Am Wege wiegen sich die schlanken Pappeln. Dann mit einem Male, urplötzlich, ein Rollen, ein Krachen und ein Aufstammen vor meinen Augen. Aus meinen Sinnen schwindet die Welt. Dunkel ist's nach der übergrellen, funkelnden Helligkeit.
    Als ich nach einiger Zeit die Augen öffne, liegt das Pferd vorm Wagen und regt sich nicht. Ich mußte meine Gedanken sammeln, bis ich mir selber sagen konnte: »Der Blitz hat's getan; das arme Tier ist tot.«
    Ich stieg aus und war im Nu naß bis auf die Haut. Ich rüttelte an meinem Pferd. Es regte sich nicht. Was wollte ich machen? Ich beschloß, beiströmendem Regen umzukehren und aus dem Dorfe Hilfe zu holen.
    Schon war ich straßab einige Meter gegangen, da schaute ich mich noch einmal um. Sehe ich recht? Der Gaul bewegt sich.
    Ich zurück und ruf ihm zu. Er hebt den Kopf. »Nichts wie von den Strängen los« ist die Parole und ich fange an, die Schnallen zu lösen und die Riemen. Das Pferd fühlt sich frei und springt auf. Ich such es am Zügel zu halten. Es trifft mich mit den Knieen vor die Brust, steigt und ist aus meiner Faust. Toll vor Schrecken rast es die Straße hinab die Zugstränge hinter sich herschleifend. Wenn ich auch hätte rennen wollen, der Ausreißer war nicht einzuholen.
    Könnte ich etwas für meinen Wagen tun? Ich überlegte. Da fuhr ein Windstoß ins Verdeck, und die ganze lederne Herrlichkeit rollte über die Chausseeböschung hinunter ins Wiesental hinein. Ich stand allein neben einem dicken Pappelaste, den der Blitz vom Stamme abgespalten hatte. Als ob der Weltenuntergang gekommen wäre, polterte und donnerte es drauf los. Mir war mit einem Male alles egal. Die Hosen klebten an meinen Beinen, und im ruhigen Schritte ging ich die Straße entlang mitten drinnen in einem Regen, der wie ein Vorhang die Welt vor mir verhüllte.
    Da stieß ich auf vier Männer, die Feuerwehrhelme auf den Köpfen trugen. Sie blieben stehen und blickten mich verwundert an.
    Aha, ich verstand. Sie hatten mein Pferd durch dieStraßen rennen sehen, und sie waren zusammengelaufen, um die Leiche ihres Doktors heimzuholen, an der Spitze dieser Samariter der Bürgermeister. Mußt ich mich jetzo nicht entschuldigen, daß ich die Keckheit hatte, noch zu leben? Ich tat's und mir wurde gnädigst verziehen.
    Zu fünfen zogen wir ins Dorf hinein, wo hinter schäbigen Kattunvorhängelchen manches Alltagsherzchen enttäuscht trauerte, weil die hochdramatisch veranlagte Geschichte so trivial geendet hatte.
    Um nichts unberücksichtigt zu lassen, will ich noch erwähnen, daß mein Halbverdeck am anderen Tage schon aus dem Wiesengrunde herausgeholt wurde und zu einem Grobschmied in die Werkstatt wanderte. Als es dieses Kunstinstitut wieder verließ, war der innere Zusammenhang zwischen Vorder- und Hinterteil durch ein Bandeisen leidlich gewahrt, und das Chaischen konnte sogar zum Fahren wieder verwendet werden, obwohl mich jedesmal ein gelindes Grauen durchrieselte, wenn eines der Räder knirschend über einen Stein ging. Mein Gott, das Schmelzpfännchen war alt, stammte vom Großvater meiner Frau her, und ich ahnte, daß es seinem alten Hausgenossen, dem Schlitten, bald nachfolgen werde.
    Das Unabwendbare kam rascher, als mir lieb war. Eines Nachts wurde ich nach Gundersweiler gerufen und fuhr mit brennenden Laternen in die schwarze Dunkelheit hinein. Ich kam in dem reichen Bauerndorfe an und fand bald die Mühle, wo mein Patient lag. Wer von den Müllersleuten bettlägerig war, weiß ich heute nicht mehr. Sicher ist, daß ich ein Rezept aufschrieb und daßdamit die große Frage aktuell wurde, wer mit dem Doktor in die Apotheke nach Rockenhausen fahren solle. Man steckte die Köpfe zusammen, lief nach der Küche und in die Mühle hinaus und bat schließlich den Doktor, er möge so gut sein und warten, bis der Schuhmacher im Dorfe geweckt worden sei.
    Was tut man nicht? Ich setzte mich neben die qualmende Petroleumlampe an den Tisch und harrte des Schuhmachers, der da kommen sollte. Und er kam auch, und es dauerte nicht lange, so saß er neben mir im Chaischen drinnen und betrachtete gleich mir das dampfende Hinterviertel meines Pferdes. Die Wagenlaternen schufen mit ihrem Glanze eine

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