Erlebnisse eines Erdenbummlers
»wird für Roß und Schlitten der letzte Tag gekommen sein« und sah mich nun nach der Aufkäuferin um.
Helft ihr Himmelsmächte! Sie lag mit dem breiten Hintern in einer gelben Sauce von zerschlagenen Eiern drinnen und rings um sie herum gruppierte sich in schönen Klumpen ein halber Zentner strohgelber Butter.
»Welch ein Omelett für eine Kompagnie Trainsoldaten wäre aus ihr zu machen,« so mußt ich trotz des verlorenen Fuhrwerks denken, als die Dicke eben gottserbärmlich zu jammern anfing. »Meine Eier, meine Butter, mein Rahm!« so lauteten ihre Worte. »Was soll mein Mann sagen, wenn ich heimkomme? Er schlägt mich tot, er tritt mich tot, wenn ich ihm gestehe, wie's gegangen ist. Ach daß aber auch gar nichts mehr ganz ist! Nicht einmal der Korb, in dem meine Sachen waren! Wenn ich nur einen Strick hätte. Aufhängen müßt ich mich ja am ersten besten Baum. Einmal mit einem großen Herrn gefahren und all mein Lebtag nie und nimmermehr.«
Was wollt ich machen? Um den Anklagen ein Endezu bereiten, griff ich nach dem Geldbeutel und gab der Frau, was ich an Vermögen nur bei mir trug. Dann trennten wir uns. Sie lief mir immer um zwanzig Schritte voraus. Ich glaub', sie fürchtete, ich könne das Geld zurückfordern, das ich ihr gegeben hatte. Vor der Brücke bog ihr Weg rechts ab, der meine links, wir waren geschieden. Wenn sie gewollt hätte, konnte sie mir nützlich werden, denn ich trug schon einen Arm voll Trümmer meines Schlittens mit mir und neue zeigten sich, als ich die Straße abwärts ins Alsenztal schaute. Daß ich vom Pferde nichts sah, gab mir die Hoffnung, daß wenigstens dieses Rabenaas heil und ganz heimgekommen sein möchte. Und es war so. Es stand ruhig beim Herrn Dietz vor seiner Raufe und fraß sich satt, während sich auf dem Marktplatze Menschenhaufen ansammelten, die mein Unglück besprachen und zu der gemeinsamen Überzeugung kamen, daß ein Doktor keinen jungen Gaul brauchen könne, sondern höchstens einen solchen, der nach zwölfjähriger Dienstzeit mit dem Militärverdienstkreuz um den Hals entlassen worden wäre.
Ich aber dachte: »Na warte nur, du Luder! Schon regnet's draußen ein wenig. Sobald der Schnee weg ist, werde ich dich zwischen meine Schenkel nehmen, und dann sollst du dafür büßen, daß du mich und die Aufkäuferin zusammen in den Schnee gelegt hast.«
Meine Ahnung, daß das Wetter umspringen könne, erfüllte sich. Wir hatten den letzten Schnee in diesem Winter gehabt. Rasch kam der Frühling ins Land und ihm folgte ein gewitterreicher Sommer. Wer einmal dieSchrecken eines Gewitters kennen lernen will, muß hinterm Donnersberg leben. Der Riesenklotz trägt seinen Namen nicht ohne Grund. Gewölk, das im Westen aufgestiegen ist, lagert sich langsam, immer ein Ballen neben dem andern um sein Haupt. Wenn er dann in stundenlangem Sammeln jede Himmelstrübung wie Watte um sich gewickelt hat, dann legt er los. In den Tälern und Schluchten fängt es an zu schießen und zu donnern, schlimmer als in der größten Schlacht. Die Häuser wanken unter den Wetterschlägen; die Ziegel fallen von den Dächern. Die Läden klappern und in den Zimmern stehen die Uhren still. Mit geilem Kichern stechen zuckende Blitze aus dem Wolkenmantel heraus, und wo sie hinfahren, da knickt die tausendjährige Eiche zusammen wie ein Rohr, und Menschenwerk ist wie die Spreu vor dem Winde. Die Leute kennen die Gefahr, flüchten in die Stuben und liegen mit dem Rosenkranz zwischen den Fingern im Herrgottswinkel laut betend auf den Knieen. »Herr, erbarme dich unser! Christe, erbarme dich unser!« kann man's aus den Häusern jammern hören, wenn man zufällig durch die menschenleeren Gassen zieht.
Es war in der ersten Hälfte des Juni, und der Tag neigte sich seinem Abend zu. Seit vier Stunden bereits vermummelte sich der Berg immer dichter in seinen Wolkenmantel. Wird es zum Losschlagen kommen oder wird sich das Wetter noch einmal verziehen?
Das war die Frage, die sich jedes in Rockenhausen vorlegte, und vor allem auch meine Frau und ich. Ich war über die Rußmühle hinaus nach Ruppertsecken gerufenworden, einem armen Neste, dessen Häuser sich zwischen den Mauerresten einer alten Ritterburg versteckten.
»Du darfst nicht fahren,« flehte meine Frau, »mich frißt die Angst.«
»Mich ruft die Pflicht.«
»So warte doch erst das Ende des Gewitters ab.«
»Es wird nicht kommen. Hab keine Furcht. Bald kehr ich wieder.«
Und ich spannte das Pferd vors Halbverdeck und fuhr zum Dorf hinaus. Es
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