Erlöst mich: Thriller (German Edition)
das sagen würden. Ich bin am Tatort. Wir sollten uns unterhalten.«
3
Nick Penny hatte seit einigen Jahren erfolgreich als investigativer Reporter für den Guardian gearbeitet. Er hatte diverse dubiose Geschäfte zwischen Unternehmen und Regierungen aufgedeckt und die Rücktritte einiger zentraler Figuren wegen Korruptionsvorwürfen bewirkt. Im Sommer vorvergangenen Jahres hatte Tina mit ihm Kontakt aufgenommen, weil sie in den Besitz der Tonbandaufzeichnung eines hochstehenden Politikers gelangt war, die einen Schattenmann des organisierten Verbrechens, Paul Wise, direkt belastete, an der Vertuschung eines Mordkomplotts beteiligt gewesen zu sein. Wise, dem Verbindungen zu Drogenhandel, Prostitution, Terrorismus und – am widerlichsten – sogar zu Pädophilenringen nachgesagt wurden, war schon seit Langem Tinas Nemesis. Sie hatte gehofft, ihn mit dieser Aufnahme endlich seiner gerechten Strafe zuführen zu können.
Doch der Politiker war ermordet worden, ehe er Gelegenheit hatte, seine Beschuldigungen vor Gericht zu wiederholen, und Tina fürchtete, dass das Band, wenn sie es dem Anwalt der Krone übergab, möglicherweise verschwinden könnte, da Wise offenbar auf zahlreiche Freunde innerhalb des Establishments zählen konnte. Tina mochte mit Pennys politischen Anschauungen nicht einverstanden sein,
doch sie hatte ihm vollständig vertraut, und er hatte das Vertrauen zurückgezahlt, indem er durchsetzte, dass der Guardian die Transkription des Bandes vollständig abdruckte, obwohl das Material auf illegale Weise zustande gekommen war.
Zunächst sah alles danach aus, dass Wise endlich vor Gericht gestellt werden würde. Die britische Regierung hatte formell um seine Auslieferung nachgesucht, auch wenn mit Nordzypern kein offizielles Auslieferungsabkommen bestand. Doch Wise hätte nicht so lange überlebt, hätte er sich so leicht geschlagen gegeben. Er hatte sich mit seinen umfangreichen finanziellen Mitteln energisch zur Wehr gesetzt und ein Team von Spitzenanwälten beauftragt, die nicht nur den Guardian und Nick Penny selbst verklagten, sondern auch die Erben des Ministers, der die Anschuldigungen formuliert hatte.
Das war ein cleverer Schachzug gewesen. Großbritannien hat eines der härtesten Gesetze wegen übler Nachrede, und binnen Wochen hatte der Sohn des Ministers verlauten lassen, er glaube nicht, dass die Stimme auf dem Band die seines Vaters sei. Wenig später war die Verleumdungsklage gegen die Erben fallen gelassen worden. Und kurz danach hatte ein nordzypriotisches Gericht den Antrag auf Ausweisung wegen Mangels an Beweisen abgelehnt. Als deutlich wurde, dass eine Verurteilung allein auf Grundlage der Aufzeichnung des Geständnisses des Ministers (selbst wenn man dessen Echtheit belegen könnte) nicht ausreichen würde, um Wise zu verurteilen und es keinerlei andere Indizien gab, die ihn mit dem Komplott in Verbindung brachten, machte schließlich auch die britische Regierung einen Rückzieher.
Penny wurde vom Guardian gefeuert, da die Eigentümer der Zeitung alles taten, um sich von der Affäre zu distanzieren, und als Tina aus einem langen Mittelamerikaurlaub zurückkehrte, war die Geschichte längst keine Schlagzeile mehr wert. Wise blieb nicht nur ein freier Mann, sondern hatte seine Position sogar noch stärken können, da es nun noch weniger Leute gab, die ihn anzugreifen wagten.
Es war kurz nach eins, fast zwei Stunden nach dem Telefonat mit DS Weale, als Tina endlich ihren Wagen vor dem zweigeschossigen Containergebäude am äußersten Rand eines Industriegebiets parkte, in dem Nick Penny sein Büro gehabt hatte. Seit seiner Entlassung war dies das Basislager für die wenigen Freelancer-Jobs gewesen, die er hatte ergattern können. Auch seine Nachforschungen im Fall Paul Wise hatte er von hier aus geführt, denn nach wie vor war er unermüdlich auf der Suche nach einem Loch in der Rüstung des Gangsters gewesen. Tina hatte ihn dabei so gut es ging unterstützt.
Penny hatte stets behauptet, in dem idyllischen kleinen Cottage, das er mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern wenige Kilometer von Great Dunmow entfernt bewohnte, könne er schon wegen des Lärms nicht arbeiten. Doch Tina hatte ihn stets für verrückt gehalten, sich an einen so trostlosen Ort zurückzuziehen. Gegend und Gebäude waren hässlich und einsam, schlimmer noch, sie boten einem Mann, der solch gefährliche Nachforschungen anstellte, definitiv keinen ausreichenden Schutz. Dies war jetzt auf
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