Erlöst mich: Thriller (German Edition)
sagen, dass Dennis Milne irgendwo in all der Asche verstreut liegt. Ich werde dich außen vor lassen.«
»Ist sonst noch jemand zu Tode gekommen? Und wie schlimm ist die radioaktive Verstrahlung?«
»Die beschränkt sich auf einen kleinen Bereich der Insel und ist geringer als ursprünglich befürchtet. Aber sie haben noch keine menschlichen Überreste bergen können, und ich bin nicht sicher, ob es überhaupt etwas zu bergen gibt.«
Sie musste an Milne denken. Fragte sich, was er wohl gedacht hatte, als er auf den Knopf gedrückt hatte, und wie einsam er sich gefühlt haben musste.
»Ich habe getan, was ich für richtig hielt, Mike«, sagte sie müde.
»Und jetzt glaubst du, du kannst einfach nach England zurückkehren und deinen Dienst wieder aufnehmen. Recht und Ordnung verteidigen, so als wäre nichts passiert?«
»Ich hoffe«, erwiderte sie, aber sie war sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt daran glaubte. Oder ob sie überhaupt noch wollte. Ihr Leben hatte sich in den letzten Tagen dramatisch verändert, und sie konnte sich nur schwer vorstellen, jemals zur Normalität zurückzukehren.
»Hast du etwas über Bertie Schagel herausfinden können?« , fragte sie, nachdem sie eine Weile lang geschwiegen hatten. Sie hatte Mike gegenüber Schagel bereits vor zwei Tagen als den Mann identifiziert, der Wise die Bombe geliefert hatte.
Mike schüttelte den Kopf. »Der Name taucht in keiner unserer Datenbanken auf. Hast du sonst noch Hinweise, mit denen wir ihn identifizieren könnten?«
»Nein. Nur seinen Namen.« Tina fühlte sich leer. Wise war tot, aber Schagel, oder wie auch immer er heißen mochte, lief irgendwo frei herum. Es gab da also noch etwas, was sie zu Ende bringen musste. »Darf ich rauchen?«
»Muss das sein?«
»Ich fürchte, ja.«
»Von mir aus, dann rauch. Bei Licht betrachtet, dürfte das eine deiner geringeren Sünden sein.«
Tina musste zugeben, dass er damit wohl auch recht hatte.
»Du hast mich nach jemandem mit Namen Emma Pettit gefragt, die einmal in Bangkok gelebt hat. Wie passt sie ins Bild?«
»Sie war eine Zeit lang Milnes Freundin und ist die Mutter seines Kindes. Aber er musste sie verlassen und hat sein Kind nie kennengelernt. Das hat ihm wehgetan. Sehr sogar. Ich wollte …«
Sie sprach den Satz nicht zu Ende, wusste nicht mehr, was genau sie eigentlich gewollt hatte.
»Ich wollte ihr vielleicht eine Nachricht überbringen. Sie wissen lassen, dass er sich stets um sie und das Kind gesorgt hat.«
Mike wandte den Blick von der Straße und sah sie an. Zum ersten Mal lag etwas wie Mitgefühl in seinem Blick.
»Emma Pettit hat ihr Kind nie zur Welt gebracht. Sie kam vor zweieinhalb Jahren bei einem Autounfall in der Nähe ihres Elternhauses in Worcestershire ums Leben. Sie war im achten Monat schwanger.«
Die Worte trafen Tina, und ein paar Augenblicke lang konnte sie nicht antworten.
»Es tut mir leid«, sagte Mike in die Stille. »Aber wenigstens wird er es nie erfahren.«
»Nein«, erwiderte sie und kämpfte mit den Tränen. »Ich schätze nicht.«
Sie erinnerte sich an ein Sprichwort, das ihre Mutter
immer benutzte: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Als er seinen ersten Mord beging, hatte Milne den Weg der Selbstzerstörung eingeschlagen. Es hatte nie einen Weg zurück gegeben, und er war gestorben, wie er gelebt hatte und wie er es verdient hatte. Das bedeutete allerdings nicht, dass die Welt fair war. Manchmal widerfuhren auch guten Menschen schlimme Dinge. Zum Beispiel Emma Pettit und ihrem ungeborenen Kind. Doch manchmal gab es Gerechtigkeit, und die, die sich versündigten, bezahlten am Ende dafür. Etwa Wise. Oder Heed. Oder Tomboy. Und Dennis Milne.
Tina selbst hatte ebenfalls gesündigt. Sie hatte das Gesetz in die eigenen Hände genommen und kaltblütig getötet.
Eines Tages würde auch sie dafür bezahlen müssen.
Bis dahin, so dachte sie, während sie aus dem Fenster in den Verkehr starrte, war es nur eine Bürde mehr, mit der sie würde leben müssen.
EPILOG
Bangkok, August
Ein Donner rollte über den schmutzig grau verhangenen Himmel. Erik Theunissen ging die Stufen seines Hauses in Bangkoks vornehmem Thong-Lo-Viertel hinunter und über die Kiesauffahrt zu seinem wartenden Jaguar, der ihn zum Flughafen Suvarnabhumi bringen sollte. Von dort wollte er mit Thai Airways nach Phnom Penh, wo – wenn seine Informationen stimmten – in einem seiner Häuser ein besonders attraktives junges Mädchen auf ihn wartete. Sie sei
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