Erlösung
Arbeitsbedingungen.
»Bist du fündig geworden, Assad?«
Der hob abwehrend die Hand. Erst mal schnell fertig aufschreiben. Bloß den Gedanken noch notieren, ehe er sich wieder verflüchtigte. Das kannte Carl nur zu gut von sich selbst.
»Das ist schon komisch, Carl. Wenn ich mit Leuten rede, die aus einer Sekte ausgestiegen sind, dann meinen die gleich, ich will sie für eine neue anwerben. Glaubst du, mit meinem Akzent stimmt was nicht?«
»Hast du einen Akzent, Assad? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
Assad sah auf und hatte dieses Funkeln in den Augen. »Ach Carl, du machst dich über mich lustig.« Warnend streckte er den Zeigefinger in die Höhe. »Aber mich nimmt man nicht so leicht hoch.«
»Also gibt es überhaupt nichts, was uns weiterbringt«, resümierte Carl und nickte. Assads Schuld war das jedenfalls nicht. »Na ja, vielleicht liegt das einfach daran, dass es nichtszu finden gibt. Vielleicht war es ja tatsächlich nur eine Einzeltat, oder?«
Assad lächelte. »Carl, nun nimmst du mich schon wieder hoch. Natürlich hat der Entführer mehr als einmal zugeschlagen. Ich sehe dir doch an, dass du das auch denkst.«
Er hatte recht. Daran konnte wohl kaum ein Zweifel bestehen. Eine Million Kronen war viel Geld, aber so viel dann auch wieder nicht. Jedenfalls nicht, wenn man einzig und allein davon lebte. Da lag es doch nahe, dass man mit der Geschäftsidee in Serie ging.
»Mach du einfach weiter, Assad. Im Moment gibt es sowieso nichts anderes zu tun.«
Als Carl zur Empfangstheke kam, waren Lis und Yrsa noch immer in ihr chauvinistisches Gequatsche vertieft, wie richtige Männer auszusehen hatten. Diskret klopfte er mit dem Knöchel auf die Tischplatte.
»Da Assad beim Durchtelefonieren der Sektenaussteiger eine Solonummer dreht, hab ich eine neue Aufgabe für dich, Yrsa. Und wenn der Brocken zu groß ist, dann hilfst du doch sicher, Lis, oder?«
»Das musst du nicht, Lis«, kam es muffig aus Frau Sørensens Ecke. »Herr Mørck gehört zu einem anderen Dezernat. Davon, dass du ihm zur Hand gehen sollst, steht nichts in deiner Arbeitsplatzbeschreibung.«
»Das kommt darauf an …«, entgegnete Lis und sah Carl mit einem dieser Blicke an, die sie offenbar auf der heißen US A-Reise mit ihrem Mann perfektioniert hatte. Den Blick hätte Mona mal sehen sollen. Dann würde sie vielleicht ein bisschen mehr um ihren neuen Fang kämpfen.
Aus purem Selbstschutz heftete er seine Augen auf Yrsas rote Lippen.
»Yrsa. Du überprüfst bitte, ob du das Bootshaus auf Luftaufnahmen des Katasteramtes finden kannst. Schau dir alle Luftbilder für die Grundstücksvermessung in den KommunenFrederikssund, Halsnæs, Roskilde und Lejre an. Und die Strandflächen um den gesamten Hornsherred. Du findest sie bestimmt auf den Websites der Kommunen, sonst bitte sie, dir die Aufnahmen zu mailen. Und wenn du schon mal dabei bist, bitte sie auch um Karten, auf denen sämtliche Windkrafträder der Region verzeichnet sind.«
»Ich dachte, wir seien uns einig, dass sie wegen des Sturms stillgestanden haben.«
»Korrekt, aber überprüft werden müssen sie trotzdem.«
»Na, diesen Kleinmist schafft sie allein«, sagte Lis. »Und was hast du für mich Schönes?« Ihr Blick traf ihn direkt im Unterleib. Was zum Teufel sollte er auf diese doppeldeutige Frage antworten? In aller Öffentlichkeit?
»Äh. Du könntest vielleicht bei den Bauämtern der Kommunen anfragen, ob sie der Errichtung von Bootshäusern an der Küste in der Zeit vor 1996 zugestimmt haben, und wenn ja, wo.«
Lis wiegte sich in den Hüften. »Sonst nichts? Na, das ist ja schnell gemacht.« Dann wandte sie ihm ihr außerordentlich attraktives Jeanshinterteil zu und stolzierte zum Telefon.
Sie war wirklich schwer zu schlagen.
34
Die Provinz Helmand war Kenneths höchstpersönliche Hölle. Der Wüstenstaub sein Albtraum. Einmal im Irak und zweimal in Afghanistan. Das war mehr als genug.
Jeden Tag schickten ihm seine Kameraden Mails. Darin stand viel von Kameradschaft und was für eine super Zeit man habe, aber kein Wort davon, was wirklich los war. Jeder wollte einfach überleben. Darauf lief alles hinaus.
Deshalb war es für ihn vorbei, das spürte er. Ein Schrotthaufen an einer Straße. Ein falscher Ort im Dunkeln. Ein falscher Ort am helllichten Tag. Es gab doch Bomben. Das Auge am Zielfernrohr. Glück war kein Begleiter, mit dem zu rechnen war.
Und deshalb saß er nun hier in seinem kleinen Haus in Roskilde und bemühte sich, seine Sinne zu
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