Erlösung
sich keiner aus dem Staub machte. Das Risiko konnten sie wirklich nicht eingehen.
Lars Brande war groß, dabei aber eher schmal und drahtig. Seine feinen, distinguierten Gesichtszüge ließen auf eine gehobene, vielleicht sogar akademische, auf jeden Fall inhäusige Tätigkeit schließen. Seine wettergegerbte Haut hingegen und die kräftigen, abgearbeiteten Hände deuteten auf einen handwerklichen Beruf. Ein äußerst verwirrender Gesamteindruck.
Sie stellten sich einen Moment vor die Wand und sahen den Spielern auf den verschiedenen Bahnen zu.
»Sie haben mit meiner Assistentin gesprochen, Rose Knudsen«, leitete Carl das Gespräch ein. »Ich habe es so verstanden, dass Sie sich über das Zusammentreffen einer Reihe von Vornamen amüsiert haben und über unsere Frage nach einerBowlingkugel am Schlüsselring. Dazu müssen Sie allerdings wissen, dass es hier nicht um eine Bagatelle geht. Wir befassen uns mit einem sehr dringenden, ernsten Fall, und ich muss Sie darauf hinweisen, dass alles, was Sie sagen, protokolliert werden kann.«
Auf einmal wirkte der Mann, als sei ihm die Geschichte nicht mehr ganz geheuer. Die Brille schien gewissermaßen in seine Haare zu sinken.
»Stehe ich unter Verdacht? Wofür? Worum geht es denn?« Lars Brande sah aus wie ertappt. Sehr sonderbar, fand Carl, denn er hatte doch keinerlei Verdacht geäußert. Aber warum sollte sich der Mann Rose gegenüber so umgänglich geben, wenn er keine weiße Weste hatte? Nein, das ergab keinen Sinn.
»Unter Verdacht? Nein. Ich will Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Okay?«
Der Typ sah auf die Uhr. »Also eigentlich nicht. Wir sind in zwanzig Minuten dran, wissen Sie. Und davor schaukeln wir uns immer alle gemeinsam hoch. Kann das nicht bis später warten? Auch wenn ich natürlich gern wissen will, worum es eigentlich geht.«
»Tut mir leid. Können wir zum Schiedsrichtertisch gehen?«
Lars Brande sah Carl verwirrt an, nickte aber.
Die Schiedsrichter sahen genauso verwirrt aus, aber als Carl seine Dienstmarke zeigte, wurden sie kooperativer.
Als die Mitteilung aus den Lautsprechern dröhnte, gingen sie auf dem Rückweg zur Stirnwand gerade an einigen Tischen vorbei.
»Aus praktischen Gründen müssen wir die Reihenfolge der Mannschaften leicht ändern«, sagte einer der Schiedsrichter und nannte die Mannschaft, die nun als Nächste starten sollte.
Carl sah zur Bar, wo ihn fünf Augenpaare ernst und erstaunt ansahen. Hinter den Männern stand Assad und hatte wachsam wie eine Hyäne deren Nacken im Blick.
Einer dieser fünf Männer war es, da war sich Carl ganz sicher. Solange die Männer hier saßen, waren die Kinder in Sicherheit. Falls sie noch lebten.
»Kennen Sie Ihre Spieler gut? Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Sie der Mannschaftskapitän?«
Lars Brande nickte und antwortete, ohne Carl anzusehen. »Wir haben schon zusammengespielt, bevor der Laden hier eröffnet hat. Drüben in Rødovre. Aber das hier ist näher für uns. Damals gehörten noch zwei andere zur Mannschaft, aber da wir alle in der Nähe von Roskilde wohnen, haben wir beschlossen, hier weiterzumachen. Und ja, ich kenne sie sehr gut. Besonders Stülper, der da drüben sitzt. Der mit der goldenen Uhr. Das ist mein Bruder Jonas.«
Carl kam sein Gesprächspartner nervös vor. Wusste er etwas?
»Stülper und Smoker, lustige Namen …« Carl lächelte verbindlich. Vielleicht nahm ja eine freundliche kleine Ablenkung etwas Druck raus bei seinem Gegenüber. Er musste den Mann schnellstmöglich aus der Reserve locken.
Und offenbar wirkte die Strategie. Lars Brande lächelte leicht.
»Ja, für Außenstehende sicher. Aber Jonas und ich sind Imker, deshalb sind die Namen dann vielleicht doch nicht so komisch«, antwortete er. »Wir alle in der Mannschaft haben unsere Spitznamen. Sie wissen ja, wie das ist.«
Carl nickte, obwohl er es nicht wusste. »Mir ist aufgefallen, dass alle in der Mannschaft ganz schön groß sind. Sind Sie vielleicht kreuz und quer verwandt?«
Dann würden sie sich garantiert gegenseitig decken.
Wieder lächelte Lars Brande. »Nein, natürlich nicht. Nur Jonas und ich. Aber es stimmt, wir sind alle etwas größer als der Durchschnitt. Mit langen Armen kann man gut schwingen.« Nun lachte er. »Nein. Das ist purer Zufall. Darüber haben wir, ehrlich gesagt, noch nie nachgedacht.«
»Gleich werde ich Sie alle um Ihre Personennummern bitten. Aber zuerst will ich Sie fragen: Wissen Sie, ob einer aus der Mannschaft eine nicht ganz
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