Erlösung
angerufen«, antwortete Hardy. »Es tut ihr leid, Carl. Sie hat ihr Leben satt und will gern wieder nach Hause.«
»Nach Hause? Hier nach Hause?«
Hardy nickte. Sehr viel näher als Carl in diesem Moment konnte man einem Kreislaufversagen durch Schock wohl kaum kommen.
Morten musste den Whisky zweimal holen.
Das wurde eine schlaflose Nacht und ein flauer Morgen.
Als Carl schließlich in seinem Büro saß, war er müder als am Vorabend, ehe er zu Bett gegangen war.
»Haben wir etwas von Rose gehört?«, fragte er, aber Assad stellte ihm nur einen Teller mit irgendwelchen undefinierbaren Klumpen hin. Offenbar sollte er erst aufgepäppelt werden.
»Ich hab sie gestern Abend angerufen, aber sie war nicht zu Hause. Das sagte mir ihre Schwester.«
»Aha.« Carl wedelte die gute alte und noch immer anwesende Fliege weg und versuchte, einen der Sirupkleckse vom Teller loszukriegen. Aber der war äußerst widerspenstig. »Kommt sie heute, hat die Schwester sich dazu geäußert?«
»Ja, Yrsa, die Schwester, kommt. Rose nicht. Die ist weggefahren.«
»Was soll das heißen? Wo ist Rose hin? Und die Schwester? Kommt die hierher? Was soll denn das?« Er riss sich von dem Fliegenfängerklecks los.
»Yrsa hat gesagt, Rose würde manchmal für ein oder zwei Tage verschwinden, aber das habe nichts zu sagen. Sie kommt wieder, das tut sie immer, sagt Yrsa. Aber in der Zwischenzeit kommt, wie gesagt, Yrsa und übernimmt ihre Arbeit. Sie meint, sie könnten es sich nicht leisten, auf Roses Lohn zu verzichten.«
Carl schüttelte energisch den Kopf. »Wie? Das hat nichts zu sagen, wenn sich eine festangestellte Mitarbeiterin nach Gutdünken mal verkrümelt? Das kann doch wohl nicht wahr sein!Spinnt die?« Na, die würde sich was anhören können, wenn sie wieder aufkreuzte. »Und diese Yrsa! Die kommt gar nicht erst an der Wache oben im Käfig vorbei, dafür werde ich sorgen.«
»Äh, hm. Also, ich habe das mit der Wache und mit Lars Bjørn schon geregelt, Carl. Das geht in Ordnung. Lars Bjørn ist es egal, Hauptsache der Lohn wird auch weiter an Rose ausbezahlt. Yrsa ist die Vertretung, solange Rose krank ist. Bjørn ist einfach froh, dass wir überhaupt jemanden haben.«
»Bjørn und in Ordnung? Und krank, hast du gesagt?«
»Ja, das nennen wir doch so, oder?«
Das war ja die reinste Revolte.
Carl griff zum Telefon und gab Lars Bjørns Nummer ein.
»Hallooo!« Das war Lis.
Was zum Teufel war denn jetzt los?
»Hallo, Lis. Hab ich nicht die Nummer von Lars Bjørn gewählt?«
»Doch, ich kümmere mich um sein Telefon. Die Polizeipräsidentin, Jacobsen und Bjørn haben ein Meeting wegen der Personalsituation.«
»Kannst du mich nicht kurz durchstellen? Ich muss nur fünf Sekunden mit ihm reden.«
»Es geht wohl um Roses Schwester, oder?«
Die Muskeln in seinem Gesicht zogen sich zusammen. »Damit hast du doch wohl nichts zu tun, oder?«
»Carl, führe ich etwa nicht die Vertretungslisten?«
Davon war ihm nichts bekannt.
»Und du sagst, Bjørn hat einer Vertretung für Rose zugestimmt, ohne mich vorher zu fragen?«
»Hey, Carl, take it easy.« Sie schnipste mit den Fingern, als wollte sie ihn wecken. »Uns fehlen Leute. Im Augenblick stimmt Bjørn allem zu. Du solltest nur mal sehen, wer die Arbeit in anderen Abteilungen erledigt.«
Leider verbesserte ihr perlendes Lachen die Lage nicht wesentlich.
Die Firma K. Frandsen Engros war eine Aktiengesellschaft mit einem Eigenkapital von schlappen zweihundertfünfzigtausend Kronen, aber der Schätzwert lag bei sechzehn Millionen. Allein das Papierlager war im letzten Geschäftsjahr auf acht Millionen veranschlagt worden, insofern war also nicht von unmittelbaren ökonomischen Schwierigkeiten auszugehen. Das Problem war allerdings, dass K. Frandsens Kunden Wochenblätter und Gratiszeitungen waren, und denen hatte die Finanzkrise sehr wohl zugesetzt. Nach Carls Einschätzung könnte eine daraus resultierende Auftragsflaute das Unternehmen K. Frandsen durchaus ungewöhnlich plötzlich und hart getroffen haben.
Aber richtig interessant wurde es erst, als sich Parallelen abzeichneten zu den Unternehmen in Emdrup und in der Stockholmsgade, deren Räumlichkeiten ebenfalls abgebrannt waren. Das Unternehmen in Emdrup, JPP Beslag A/S, hatte einen Jahresumsatz von fünfundzwanzig Millionen Kronen und versorgte in erster Linie Baumärkte mit Bauholz. Im letzten Jahr vermutlich ein blühendes, in diesem Jahr garantiert ein kränkelndes Unternehmen. Und auch Public
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