Erlösung
Consult, die Firma in Østerbro, die davon lebte, Bauaufträge für große Architektenbüros zu generieren, dürfte die Niedrigkonjunktur zu spüren bekommen haben.
Doch außer einer recht großen Verwundbarkeit in der aktuellen Konjunkturlage gab es keine Übereinstimmungen zwischen den drei vom Pech verfolgten Firmen. Keine gemeinsamen Besitzer, keine gemeinsamen Kunden.
Carl trommelte auf den Tisch. Wie war das 1995 bei dem Brand in Rødovre gewesen? Handelte es sich da auch um eine Firma, die plötzlich ins Trudeln geraten war? Jetzt könnte er Rose gut gebrauchen, verdammt noch eins.
»Tock, tock«, flüsterte jemand an der Tür.
Das wird diese Yrsa sein, dachte Carl und sah auf die Uhr. Es war Viertel nach neun. Na, jetzt aber dalli.
»Was ist denn das für eine Zeit zu kommen?«, sagte er mit dem Rücken zur Tür. Das hatte er mal gelernt: Chefs, die ihrem Gegenüber getrost auch mal den Rücken zeigen, sind starke Führungspersönlichkeiten. Mit denen ist nicht zu spaßen.
»Hatten wir eine Verabredung?«, hörte er eine nasale Männerstimme.
Carl schnurrte so heftig mit dem Bürostuhl herum, dass er eine Viertelumdrehung zu weit kam.
Da stand Laursen. Der gute alte Tomas Laursen, Polizeitechniker und Rugbyspieler, der ein Vermögen gewonnen und wieder verloren hatte und nun in der Kantine in der obersten Etage arbeitete.
»Na, zum Teufel, Tomas, kommst du mal zu uns runter!«
»Ja. Dein tüchtiger Assistent fragte, ob ich nicht Lust hätte, mal vorbeizuschauen.«
Da zeigte Assad sein schelmisches Gesicht an der Tür. Was wollte Assad damit erreichen? War er tatsächlich oben in der Kantine gewesen? Reichten ihm seine würzigen Spezialitäten und selbst zubereiteten Magen-Erschrecker nicht mehr?
»Ich hab mir nur eine Banane geholt, Carl«, sagte Assad und schwenkte das krumme gelbe Teil. Bis in die oberste Etage wegen einer Banane?
Carl nickte. Irgendwie war Assad eine Art Affe. Er hatte es schon immer geahnt.
Er und Laursen tauschten einen kräftigen Händedruck aus. Immer noch der gleiche schmerzhafte Spaß wie früher.
»Klasse, Laursen. Hab gerade von dir gehört, von Yding aus Albertslund. Du bist nicht ganz freiwillig ins Präsidium zurückgekehrt, soweit ich das verstanden habe.«
Laursen wiegte den Kopf hin und her. »Tja. Hab ich mir ja wohl selbst zuzuschreiben. Die Bank hat mich ausgetrickst, ich sollte zum Investieren einen Kredit aufnehmen, und das konnte ich ja locker tun, ich hatte ja jede Menge Kapital. Und nun hab ich einen Dreck.«
»Man müsste sie selbst die Scheiße decken lassen«, kommentierte Carl. Das hatte er mal in den Nachrichten jemanden sagen hören.
Laursen nickte. Tja, nun war er wieder da. Als niederster Angestellter in der Kantine. Belegte Brote und Abwasch. Einer der begabtesten Polizeitechniker Dänemarks, was für eine Verschwendung.
»Ich bin zufrieden«, sagte er. »Ich treffe viele alte Kollegen, aber ich selbst muss nicht mehr mit denen raus.« Er lächelte noch wie früher. »Mir hat meine Arbeit keinen Spaß mehr gemacht, Carl, besonders wenn ich eine ganze Nacht in Leichenteilen herumwühlen musste. Es verging kein Tag, an dem ich nicht daran dachte, abzuhauen, fünf Jahre lang. Das Geld hat mir geholfen, den Schritt zu tun, auch wenn ich es wieder verloren habe. So kann man’s auch betrachten. Alles ist immer für irgendwas gut.«
Carl nickte. »Du kennst Assad zwar nicht, aber ich bin sicher, dass er dich nicht hier runtergeschleppt hat, um über die Speisekarte in der Kantine zu reden und dich zu Pfefferminztee bei einem alten Kollegen einzuladen.«
»Er hat mir schon von der Flaschenpost erzählt. Ich glaube, ich weiß einigermaßen Bescheid. Darf ich den Brief mal sehen?«
Na, aber gerne doch!
Er setzte sich, und Carl zog den Brief vorsichtig aus dem Ordner. Assad tänzelte herein, drei winzige Tässchen auf einem ziselierten Tablett balancierend.
Der Duft von Pfefferminztee breitete sich aus. »Diesen Tee magst du ganz bestimmt«, flötete Assad und schenkte ein. »Der ist gut für alles, auch hier.« Er fasste sich ganz kurz in den Schritt und warf ihnen einen verschleierten Blick zu. Missverständnisse ausgeschlossen.
Laursen schaltete eine weitere Arbeitslampe ein und zog sie ganz dicht an das Dokument heran.
»Wer hat das präpariert, wissen wir das?«
»Ein Labor in Edinburgh, drüben in Schottland«, sagte Assad. Er hatte die Untersuchungsergebnisse herausgefischt, noch ehe Carl überhaupt überlegen konnte, wo er die Papiere
Weitere Kostenlose Bücher